Die Leipziger Volkszeitung zu Live Earth/Klima
Archivmeldung vom 09.07.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittLive Aid, Live 8 oder Live Earth - Mammutkonzerte für einen guten Zweck liegen im Trend. Rund zwei Milliarden Menschen waren nach Angaben der Veranstalter am vergangenen Wochenende weltweit live oder am Bildschirm dabei, um Stars wie Madonna, Shakira, Bon Jovi oder Genesis von Sydney bis Rio gegen die Klimaerwärmung rocken zu sehen. Und wieder regnete es Superlative: groß, größer, am allerallergrößten. Vom gigantischsten Rockkonzert, von der gewaltigstenWohltätigkeitsveranstaltung aller Zeiten war die Rede.
So viel Sonnenschein aber macht misstrauisch. Das Thema Klimaschutz
einem vor allem jüngeren Publikum ohne erhobenen Zeigefinger nahe zu
bringen, mag aller Ehren wert sein. Ob purer Gigantismus allerdings
das Einschalten der Hirne ersetzt und die Erderwärmung bremst, darf
dennoch in Zweifel gezogen werden. Mittlerweile hinterlassen
derartige Mammut-Veranstaltungen eher zwiespältige Gefühle.
Die unbequeme Wahrheit ist nämlich, dass sich bei Live Earth
Aktionismus paart mit Kalkül. Dafür stehen sowohl berufsmäßige
Gutmenschen unter den Pop-Musikern, die alle Themen abdecken von Lady
Diana bis zum Artensterben, als auch der clevere Selbstvermarkter Al
Gore. Seine Schutzinitiative Alliance for Climate Protection streicht
sämtliche Erlöse ein. Und auch der Autokonzern, der Live Earth
sponsert, denkt sicher nicht vordergründig ans Klima, wenn er
gleichzeitig großmotorige Benzinfresser in Serie produziert.
Dass Stars und Publikum des Spektakels zu Fahrgemeinschaften,
Mülltrennung und ähnlichen Maßnahmen verdonnert wurden, kann getrost
als Feigenblatt gelten. Hundert Meter hinter den Stadien war es schon
wieder vorbei mit dem Umweltbewusstsein. Was also wird bleiben von
Live Earth für den Planeten Erde und sein Klima? Filigranes Handwerk
von Spitzenmusikern, die kaum zur Horizont-Erweiterung beitrugen?
Die Klimabilanz angesichts von allein zwei Milliarden
Fernsehzuschauern und den dazugehörigen TV-Empfängern dürfte
jedenfalls niederschmetternd sein. Hätte man einen Bruchteil des
Publikums dafür gewinnen können, sich zu bewegen, statt einen ganzen
Tag auf dem Sofa zu sitzen, wäre der Menschheit ein größerer Dienst
erwiesen worden. Oder, wenn es eine erdumspannende Baumpflanzaktion
gegeben hätte. Auch eine simple Aktion für den Kauf heimischer
Lebensmittel wäre noch ein anerkennenswerter Beitrag zum Klimaschutz
gewesen. All das allerdings lässt sich schwerer medial verkaufen. Und
hätte eines Kraftaufwandes über den Tag hinaus bedurft.
Derlei Einwände muss es auch in der Zielgruppe der Konzerte gegeben
haben. Nur zwei Drittel waren ausverkauft, die Show in Johannesburg
fand beinahe unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Man braucht
offenbar kein Klima-Muffel sein, um solche unter dem Mantel der
Wohltätigkeit organisierten Spektakel zu hinterfragen. Sonst verfällt
womöglich demnächst die Not leidende Brauindustrie auf den Gedanken,
mit einem Live-Ale-Konzert die Erde retten zu wollen.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung