Lausitzer Rundschau: Zu Hamas/Wahlsieg: Scherbenhaufen
Archivmeldung vom 27.01.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Hamas-Sieg bei den palästinensischen Parlamentswahlen ist verdient. Und höchst beunruhigend. Verdient, weil die bisherige, von der nationalistischen Fatah gestellte Führung korrupt und unfähig war, weil Hamas vorbildliche Basisarbeit geleistet hat.
Beunruhigend,
weil Hamas den aggressiven islamischen Fundamentalismus verkörpert
und der Iran hinter ihr steht; weil Hamas weder die Waffen
niederlegen und auf Terror verzichten will, noch bereit ist, Israel
als Nachbarn anzuerkennen, sondern dessen Vernichtung anstrebt.
Gesiegt hat auch die Demokratie. Doch nicht zuletzt George W. Bush,
der die Wahlen erzwang, muss sich fragen lassen, ob ein
vorübergehender Verzicht auf demokratische Spielregeln nicht einem
Sieg des antidemokratischen Gegners vorzuziehen ist. Nicht nur die
Fatah, sondern auch die USA und Israel stehen vor einem
Scherbenhaufen. Fortschritte in Richtung Umsetzung der „Roadmap“, des
gegenwärtig einzig realistisch wirkenden Vorschlages zur
Konfliktlösung, wird es in absehbarer Zeit nicht geben. Bei Hamas
sollte man bei aller Sieges-Euphorie nicht vergessen, dass die pure
Ideologie der Gewalt und des Hasses nicht aufrechterhalten werden
kann, will man nicht außerhalb der arabischen Welt zum Geächteten
werden. Genauso wirklichkeitsbezogen wie Hamas seine Innenpolitik
bisher gestaltete, muss sich ihre Führung nun daranmachen,
außenpolitisch einen realistischeren Kurs einzuschlagen. Mit Terror
und Gewalt gegen Israel mag Hamas zwar ihre Förderer in Teheran
erfreuen. Doch sie stößt damit auch ihr skeptisch gegenüberstehende
Europäer und die gegnerischen Amerikaner vor den Kopf, provoziert
Israel zu schmerzlicher Vergeltung und vergrößert letztlich Leiden
und Not der eigenen Zivilbevölkerung. Die Wahlen in den
palästinensischen Gebieten mögen von ihren Siegern als „Islamische
Revolution“ gefeiert werden. Sie haben aber dem nahöstlichen
Krisenherd keine Lösung der jahrzehntealten Probleme gebracht –
sondern kaum lösbare neue hinzugefügt.
Quelle: Pressemitteilung Lausitzer Rundschau