WR-Kommentar zur Gesundheitsreform
Archivmeldung vom 06.01.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittJeder solle wieder einmal ein persönliches Gespräch führen oder "mal ganz bewusst" das Handy ausschalten, hat Angela Merkel den Bundesbürgern in ihrer - auch sonst so inhaltsreichen - Neujahrsansprache geraten. Leider ist sie gleich danach an weit entfernte Orte wie Saarbrücken, Brüssel oder Washington verreist, und hat deshalb nicht miterlebt, welche Folgen ihr Aufruf hatte.
Edmund Stoiber beispielsweise und sein Lautsprecher Söder führen
seither ein Gespräch nach dem anderen - vorzugsweise mit
Nachrichtenagenturen und TV-Sendern. Die Handys haben beide
offensichtlich abgestellt - sonst könnte Frau Merkel in Bayern
anrufen und den tieferen Sinn ihrer Ansprache erläutern. "Überraschen
wir uns damit, was möglich ist", hat sie schließlich auch gesagt, und
nicht: Überraschen Sie uns mit allem Möglichen. Frau Merkel könnte
bei dieser Gelegenheit auf ihren Generalsekretär Pofalla hinweisen,
der sich wünscht, SPD-Experten würden "einfach mal die Klappe
halten". Könnte also nicht auch mal der Edmund...?
Kann er nicht. Und wird er freiwillig auch nicht. Der bayerische
Ministerpräsident kämpft um sein politisches Überleben und hat sich
mit der Gesundheitsreform ausgerechnet das wichtigste Reformvorhaben
der großen Koalition als Schauplatz seines Profilierungsdrangs
gewählt. Es geht dabei längst nicht mehr um die Gesundheitsreform
selbst. Es geht um den bundespolitischen Einfluss des
CSU-Vorsitzenden und damit letztlich um sein Gewicht daheim in
Bayern.
Eben deshalb kann die Bundeskanzlerin den unsäglichen Dauerstreit nicht länger aussitzen. Man mag sich wundern über manches "Basta" ihres Amtsvorgängers Schröder - eines hat er doch bewiesen: Den Mut, eine politische Konfrontation auch in den eigenen Reihen durchzustehen. So gut oder so schlecht der Gesundheitskompromiss auch ist: Der CSU-Chef hat ihn zur Machtfrage erhoben. Angela Merkel muss sich jetzt also entscheiden, ob sie Bundeskanzlerin sein will - oder Frühstücksdirektorin im Kreise geltungsbedürftiger Provinzfürsten.
Quelle: Pressemitteilung Westfälische Rundschau