Berliner Morgenpost: Ein Fortschritt für die Schulen und die Kinder
Archivmeldung vom 16.01.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEndlich einmal eine gute bildungspolitische Nachricht aus Berlin. Die Initiative Pro Reli hat schon eine Woche vor Ablauf der Frist offenbar genügend Unterschriften für einen Volksentscheid über die Einführung des konfessionellen Religionsunterrichts als gleichberechtigtes Wahlpflichtfach neben Ethik gesammelt.
Es sieht so aus, als könnten die Berliner nun für eine echte Verbesserung des Schulunterrichts in der Hauptstadt stimmen. Womöglich am Termin der Europawahl, was für rege Beteiligung sorgen würde - und Berlins Regierendem Klaus Wowereit (SPD) einen empfindlichen Dämpfer bescheren könnte. Denn es geht nicht um irgendwelche Glaubenskriege, sondern darum, dass unsere Kinder künftig mehr lernen und freier denken können. Das wird ihnen erleichtert, wenn die Beschäftigung und Auseinandersetzung mit der Religion als einem wesentlichen Bestandteil unserer Kultur und unseres Denkens nicht mehr an die Ränder des Schulunterrichts abgeschoben wird, sondern in dessen Mitte stattfindet. Es würde dann leichter, die Religion genauer kennenzulernen, sich vom Glauben bereichern und erfüllen zu lassen oder ihn kompetent zu kritisieren. Zudem könnte der islamische Religionsunterricht aus unkontrollierten Nischen herausgeholt, von Radikalisierungstendenzen befreit und als selbstverständlicher Teil unserer multikulturellen Stadt integriert werden. Und die Wahlfreiheit bliebe voll erhalten, weil sich die Schüler ja auch für das Wahlpflichtfach Ethik entscheiden könnten. Es ist zu hoffen, dass nun vor dem vermutlichen Volksentscheid in diesem Sinne argumentiert wird. Zum einen, um in der verbleibenden Frist weitere Unterschriften zu sammeln, damit deutlich wird, dass es hier um eine Position der bürgerlichen Mehrheit geht. Eine sachliche Argumentation ist zum andern erforderlich, um klar zu machen, was ansteht: eine Verbesserung im Bildungssystem, das Ersetzen einer nicht so guten Lösung durch eine bessere. Die bisherige Regelung - Ethik als Pflichtfach, Religion als zusätzliche AG - ist ja nicht des Teufels, sondern war vor zwei Jahren erst einmal ein Fortschritt, weil bis dahin wegen der besonderen Berliner Situation gar kein vernünftiges Angebot bestand. Aber Ethik als alleiniges Pflichtfach hat Schwächen, die nun behoben werden können. Wird die Sache so betrachtet, sollte auch der rot-rote Senat in der Lage sein, sich den Argumenten von Pro Reli zu öffnen. Es muss also Schluss sein mit der Verzögerungstaktik und den vielen Nickligkeiten, durch die Linkspartei und SPD das Volksbegehren auszubremsen versuchten. Vielmehr hat der Senat alles dafür zu tun, dass beim Volksentscheid das möglich wird, was die Initiative für die Schule fordert: Freiheit der Wahl in aller Besonnenheit. Wozu ebenfalls gehört, dass alle Unterstützer des Volksbegehrens in jener ruhigen, nicht kulturkämpferischen Weise argumentieren, durch die sich die Unterstützung der Kirchen für Pro Reli auszeichnete. Wodurch übrigens die Kirchen bewiesen haben, welch wohltuende Rolle sie in dieser Stadt spielen.
Quelle: Berliner Morgenpost