WAZ: Berlin, Vaduz, Millionäre, BND . . .: Was wir nun wissen. Und was nicht
Archivmeldung vom 21.02.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittSeit gestern wissen wir mehr. Etwa, dass zwischen Deutschland und Liechtenstein wieder Diplomatie herrscht statt Krawall. Wir wissen, dass wir nicht wissen, ob Liechtenstein nicht doch für zwielichtige Gestalten Fluchtpunkt bleibt.
Wir wissen, dass wir gar nicht wissen, ob unser Staat sich diese
CD für ein paar Millionen Euro kaufen durfte. Ebenso unklar ist, ob
das, was man darauf findet, vor Gericht verwendet werden darf. Aber
kurz vor der Wissens-Schwelle ahnen wir schon, dass genau diese
brisanten Fragen nicht in Berlin, sondern in Karlsruhe geklärt
werden.
Denn man kann Verständnis haben für das Verhalten des deutschen
Staates in dieser Mega-Affäre. Aber die halbamtliche Erklärung, der
Staat habe doch ein lohnendes Geschäft mit dem Kaufen von Hehlerware
gemacht, ist doch wohl allzu flapsig. Das sehen augenscheinlich nicht
nur Anwälte so, die sich nun darauf freuen, die steuerflüchtigen
Millionäre zu verteidigen. Aufschlussreich ist, dass das
Bundesjustizministerium schon mal vorsorglich mitteilen ließ, es sei
vor dem Datenkauf nicht gefragt worden. Warum sagen die das wohl?
Eben: Die Angelegenheit ist den Regierungs-Juristen nicht nur nicht
geheuer, sondern allzu verdächtig. In der Tat: Hat es, einmal
abgesehen vom Agenten-Austausch auf der Potsdamer Glienicker Brücke
in dunklen Zeiten damals, schon vergleichbare schale "Deals" gegeben?
Hätten wir nicht eine Große Koalition, ein Untersuchungs-Ausschuss
wäre wohl schon eingerichtet worden.
Wir wissen, dass härtere Strafen bei Steuerhinterziehung zwar
populär sind, aber wenig bringen. Die Höchststrafe lautet: zehn
Jahre. Sie ist bislang noch nicht ausgesprochen worden. Desweiteren
ist der Verzicht auf gerichtliche Geschäfte - Verfahren einstellen
gegen hohe Geldbuße - zwar gleichfalls ganz in Volkes Sinne; aber
wohl doch praxisfern. Die Gerichte sind schon heute überfordert. Wie
sollten sie, ohne solche Geschäfte zum gegenseitigen Nutzen, eine
Fülle derart komplexer Verfahren bewältigen? Wir wissen, dass, etwa
in Nordrhein-Westfalen, sogar noch Steuerfahnder abgebaut wurden. Wir
wüssten gerne, weshalb.
Wir wissen, dass man nicht mit Steuerhinterziehung oder
Schwarzarbeit verstoßen darf gegen Gesetze, selbst wenn diese
schlecht sind. Aber schlechte Gesetze sind schlechte Gesetze. Und wir
sollten es der Politik nicht durchgehen lassen, sich unter Absingen
schmutziger Lieder aus der Verantwortung dafür zu schleichen.
Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung (von Ulrich Reitz)