Börsen-Zeitung: Kampfansage des EuGH
Archivmeldung vom 07.03.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAn Verwarnungen aus Luxemburg hat es in den letzten Jahren nicht gefehlt. Das mag die Bundesregierung in Sicherheit gewogen haben. Immer wieder hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) Gesetze beanstandet, die sich schon auf den ersten Blick als europarechtswidrig herausgestellt haben.
Bislang ist Berlin
dabei relativ glimpflich davongekommen wie etwa beim Ende 2005
ergangenen Urteil in Sachen Marks & Spencer zur grenzüberschreitenden
Verlustübertragung. Der EuGH erkannte letztlich das Interesse der
Mitgliedstaaten an der Sicherung ihres Steueraufkommens an und
verlangte nur ein paar Retuschen.
Auch bei dem aktuellen Urteil über die Dividendenbesteuerung
dürften die öffentlichen Kassen nicht überstrapaziert werden. Der
EuGH hält die bis Jahresende 2000 gültige Praxis, wonach Dividenden
ausländischer Unternehmen steuerlich schlechter gestellt wurden als
Dividenden deutscher Gesellschaften, für einen Verstoß gegen die
Kapitalverkehrsfreiheit. Doch betrifft das Urteil nur die
Steuerverfahren, deren Feststellungsfrist noch nicht abgelaufen ist.
Darüber hinaus dürfte es den Anlegern schwerfallen, hierzu alle
nötigen Unterlagen zusammenzutragen. Auf ein Entgegenkommen der
Finanzämter können sie wohl nicht zählen.
Entscheidend aber ist ein anderer Aspekt: Der EuGH hat
entschieden, dass die zeitliche Wirkung des Urteils unbeschränkt ist.
Und er hat durchblicken lassen, dass auch künftig so entschieden wird
- eine regelrechte Kampfansage an die EU-Regierungen. Sie müssen ihre
Gesetze künftig zügiger und gründlicher auf europarechtswidrige
Sachverhalte hin durchforsten. Denn eine Verfehlung kommt den Fiskus
künftig teuerer zu stehen als bisher. Das übliche Spiel auf Zeit
gepaart mit der Spekulation auf ein späteres Entgegenkommen der
Richter ist nicht mehr drin.
Der Druck auf den Gesetzgeber also wächst. Deshalb sollte die
Bundesregierung dafür sorgen, dass in einem ersten Schritt zumindest
alle schwebenden Gesetzesvorhaben schleunigst europarechtskonform
gemacht werden. Das betrifft insbesondere die
Unternehmenssteuerreform. Die darin bei einer Funktionsverlagerung
ins Ausland verlangte Exit-Steuer für Konzerne dürfte ebenso die
Kapitalverkehrsfreiheit verletzen wie die Zinsschranke. Spätestens
mit dem neuen Richterspruch hat der europapolitische Schlendrian in
Berlin ein Ende.
Quelle: Pressemitteilung Börsen-Zeitung