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Flensburger Tageblatt: Wer traut noch wem in der Euro-Krise?

Archivmeldung vom 11.07.2012

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 11.07.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Alles schaut auf das Bundesverfassungsgericht. Es geht um mehr, als nur um Milliardensummmen. Die Befürworter des Euro-Rettungsschirms (ESM) warnen vor einer Verunsicherung der Finanzmärkte, sollte das Bundesverfassungsgericht die von Bundestag und Bundesrat beschlossenen Zustimmungsgesetze stoppen. Schön und gut. Nur wer redet von der erheblichen Verunsicherung der Bürger?

Ihr Vertrauen in die Politik und in die Stabilität der Währung sinkt rapide. Deshalb sind die höchsten deutschen Richter ein letzter Rettungsanker - nicht um den Rettungsschirm zu kippen, sondern um den Menschen wenigstens das Gefühl zu geben, dass es bei den Haftungsrisiken, die Deutschland zu tragen hat, mit rechten Dingen zugeht. Denn von Vertrauen leben nicht nur die Finanzmärkte, von Vertrauen lebt auch die Demokratie.

Wenn sich das Bundesverfassungsgericht für seine Entscheidung über die Eilanträge gegen die Gesetze zur Euro-Rettung mehr Zeit nehmen will, so ist das ein Schritt in die richtige Richtung. Es gibt für die Krise der europäischen Währung gewiss keine einfache Lösung. Erst recht aber darf es keine schnelle Lösung geben. Dazu steht zu viel auf dem Spiel. Es geht um mögliche deutsche Belastungen in atemberaubender Milliardenhöhe. Zugleich geht es um die Frage, ob die Europäische Union noch eine Zukunft hat und wie viel haushaltspolitische Kontrolle dem Bundestag verbleibt.

Wer die Argumente der Gegner und Befürworter des Euro-Rettungsschirms vor dem Bundesverfassungsgericht hört und liest, mag zu dem Schluss kommen: Hier geht es um Krieg und Frieden, ausgetragen nicht auf den Schlachtfeldern von gestern, sondern auf den Finanzmärkten und im Schuldensumpf. In dieser Situation dürfen die Richter weder von außen durch die Politik zur raschen Entscheidung gedrängt werden, noch dürfen sie sich selbst unter Druck setzen. Sie sind dem Schutz der Verfassung verpflichtet - sonst nichts und niemandem.

"Karlsruhe" ist zu einem Synonym für die Unabhängigkeit, Autorität und Souveränität der dritten Gewalt in Deutschland geworden. Das steht ebenfalls auf dem Spiel. Der Zweite Senat ist nicht zu beneiden. Seine Entscheidung wird Signalwirkung haben. Auch, was das Vertrauen der Bürger in die Gewaltenteilung betrifft.

Quelle: Flensburger Tageblatt (ots)

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