WAZ: Geiselnahme setzt Berlin unter Druck: Deutschland ist Teil des Irak-Kriegs
Archivmeldung vom 30.11.2005
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEs ist eine Illusion zu glauben, dass Deutschland nicht am Krieg im Irak beteiligt ist. Washington führt mittlerweile diesen Krieg gegen fanatische Aufständische, die jedes Mittel anwenden, um Terror zu säen. Und die Bundesrepublik ist eben ein enger Verbündeter der USA. Diese Tatsache berücksichtigen die Kidnapper von Susanne Osthoff kaltblütig.
Die deutsche Kritik am Waffengang von George W. Bush spielt in dem
Kalkül der Entführer keine Rolle. Zwei Welten prallen im Irak
unversöhnlich aufeinander. Auf der einen Seite die vermeintlichen
demokratischen Heilsbringer, auf der anderen Seite Extremisten, die
mit ungeheurer Brutalität vorgeben, ihre kruden Vorstellungen vom
Islam zu verteidigen. In der großen Mehrheit sind die Opfer dieses
fürchterlichen Konflikts Iraker, regelmäßig werden aber auch
Ausländer entführt und im schlimmsten Fall getötet.
In Berlin tagt ein Krisenstab, um die Ermordung der Deutschen zu
verhindern. Fieberhaft wird nach Strategien gesucht, wie der Kontakt
zu den Entführern hergestellt und aufrechterhalten werden kann, um
ihnen das Leben der Archäologin abzuringen. Die politischen
Forderungen der Kriminellen werden nicht erfüllt werden. Der Staat
kann und darf sich nicht als erpressbar zeigen. Es muss deutlich
gemacht werden, dass Furcht deutsche Außenpolitik nicht bestimmen
kann.
Die Appelle von Bundeskanzlerin Merkel, die Frau und ihren Fahrer
sofort freizulassen, gehören eher zum verbalen Pflichtprogramm einer
Regierungschefin, die Gangster werden sich davon kaum beeindrucken
lassen. Vielleicht sind sie aber bestechlich.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass bei zahlreichen
Entführungsfällen, gleich ob in Südamerika, Asien oder Afrika,
Lösegeld gezahlt wurde. Auch im Irak sind hohe Summen bereits
geflossen. Dass dies keine Regierung öffentlich zugibt, ist genauso
richtig wie der Versuch, mit Geld Staatsangehörige freizubekommen.
Es gibt zu einem solchen Unterfangen, das höchster Geheimhaltung
und Professionalität bedarf, keine Alternative. Es wäre eine
glückliche Fügung, wenn die Bundesregierung eine Lösegeldzahlung
offiziell und empört dementieren, Susanne Osthoff aber auf
irgendeinem Flughafen wohlauf begrüßen könnte.
Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Allgemeine Zeitung