FT: Brillant und unwiderstehlich
Archivmeldung vom 15.11.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Triumph von Sebastian Vettel zeugt von den verblüffenden Selbstheilungskräften der Formel1. Der Vollgas-Zirkus, der in regelmäßigen Abständen an den Rand des Ruins oder mitten ins Licht der Lächerlichkeit rast, birgt immer noch ein gewaltiges Potenzial an Faszination, Helden-Storys und - man glaubt es kaum - an echtem Sport. Vettel reiht sich in die Riege der Größten unter den Einzelkämpfern ein, neben Max Schmeling, Michael Schumacher und Boris Becker.
Dem Beispiel des Leimeners folgend wird der jüngste Champion der 1950 begonnenen Formel-1-Geschichte wohl als "23-jährigster Heppenheimer aller Zeiten" in die deutsche Sporthistorie eingehen. Der Erfolg des Hessen ist noch höher einzuschätzen als die Siege von Schumacher. Der Rekord-Champion musste nie einen annähernd gleichwertigen Teamkollegen erdulden wie ihn Vettel in Mark Webber hatte. Schumacher holte seine sieben Titel zu Zeiten, als maximal zwei, drei weitere Autos konkurrenzfähig waren. Nie musste er sich in einem Feld mit so vielen noch aktiven Weltmeistern durchsetzen. Dass der schnellste Fahrer und das beste Auto der Formel nicht viel früher als Sieger feststanden, ist der unvergleichlichen Intensität des Wettbewerbs einerseits, dem jugendlichen Ungestüm Vettels anderseits geschuldet. Er beging eigene Fehler, die ihn zusammen mit taktischen Patzern des Red-Bull-Teams und technischen Defekten weit über 100 Punkte kosteten. Doch davon ließ sich Vettel nie entmutigen. Als die Formel 1 auf die Zielgerade einbog, war er brillant und unwiderstehlich. Zu den schönsten Aspekten der Entscheidung gehört die Tatsache, dass Red Bull mit der unnachgiebigen Verweigerung einer Stallregie gegen allen Experten-Rat goldrichtig lag. Keine Bevorzugung von Webber oder Vettel - erst den "Feind" in der eigenen Familie schlagen, dann Alonso, Hamilton und Button. Beides glückte Vettel. Blamiert steht Ferrari da. Die Italiener ernteten keine Früchte aus dem Schummel-Skandal von Hockenheim, und sie verpatzten das Finale grandios.
Quelle: Flensburger Tageblatt