WAZ: V. d. Leyen, die Krippen, das Geld: Wie Politik Vertrauen verspielt
Archivmeldung vom 28.04.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittJetzt werden die Zyniker wieder sagen: Was wundert ihr euch eigentlich, Politik ist doch so. Die Forderung von heute, mit der man Wähler ködert, ist morgen schon wieder von gestern. Das kennt man doch, das ist nicht neu. Und wie sollte es auch anders sein, schließlich gibt es in jeder Koalition, gleich welcher Couleur, unterschiedliche Interessen. Und der Finanzminister hat ganz grundsätzlich sowieso kein Geld.
So war das, so ist das, so wird es
immer sein. Dumm nur, dass Wähler eben nur in den seltensten Fällen
Zyniker sind.
Die Balgerei um die Krippenplätze dauert nun schon einige Zeit.
Aus der Sicht der Familienpolitiker besteht Konsens: Erheblich mehr
Krippenplätze, das braucht man, das ist gut für die Frauen, endlich
kann Politik mal nützlich sein. Außerdem ist man mit diesem
Politik-Ansatz auch noch irgendwie modern, urban, und was sonst noch
alles. Hier fängt nun die Sache an, unangenehm zu werden. Ursula von
der Leyen hat allerhand unternommen, um über das Krippenthema die CDU
zu verändern. Das ist ihr wohl auch gelungen.
Nur: Mehr Krippenplätze sind eine soziale Leistung, kosten also
Geld. Viel Geld. Fünf, sechs, sieben, acht Milliarden, je nachdem,
wen man so fragt. Völlig klar ist, dass man nicht mal eben so den
Sozialstaat ausbauen kann, nach der Devise: Wer das bezahlt, werden
wir dann schon sehen. Es ist genau dieser Mechanismus, der Politik
unseriös macht: Man verspricht was, lässt sich für die Ankündigung
feiern, schlägt sich in die Büsche und sucht dann, natürlich beim
Gegner, den Schwarzen Peter.
In jeder Regierung hat der Finanzminister eine Sonderstellung.
Wie früher in Bonn, so ist heute auch in Berlin der Finanzminister
der einzige Ressortchef mit Veto-Recht. Seit der Diskussion um die
Föderalismusreform weiß man überdies, dass es schlecht ist, wenn die
eine Ebene - der Bund - etwas beschließt, was die nächste Ebene -
Länder und Gemeinden - dann bezahlen sollen. Denn damit würde ein
Scheck zu Lasten Dritter ausgestellt.
Das Schlimme ist: Alles das ist bekannt. Und niemand weiß das besser als die Politik selbst. Und dennoch verstößt sie permanent gegen diese Regeln. Von der Leyen sollte sich nicht wundern, wenn sie jetzt viele Fans verliert. Sie hat es sich selbst zuzuschreiben. Wichtiger als von der Leyen ist aber, dass die Politik über diesen Krippen-Fall wieder einmal dabei ist, eines der übelsten Vorurteile über sie zu bestätigen, nämlich: dass man ihr nicht trauen kann. Fast ein Fall für Zyniker.
Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Allgemeine Zeitung