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WAZ: EU und Nato

Archivmeldung vom 26.09.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 26.09.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Jüngste Umfragen der "Financial Times" in Sachen Bündnistreue haben Bemerkenswertes zu Tage gebracht. In der Schlüsselfrage, ob sie den Letten, Esten und Litauern im Falle eines russischen Militärschlages beistehen würden, ist die Ablehnung in Deutschland sehr hoch.

Mehr als die Hälfte lehnt es ab, die Bundeswehr in den Krieg gegen Russland ziehen zu lassen.

Washington wird diese deutsche Zurückhaltung zwar wurmen, aber nicht sonderlich überraschen. Schon als George W. Bush die Nationen für den Waffengang gegen den Irak hinter sich sammelte, haben die Deutschen gefehlt. Auch im Süden Afghanistans, wo die Hauptlast im Krieg gegen die Aufständischen zu tragen ist, macht die Bundeswehr nicht mit.

Ist Deutschland somit ein unsicherer Kantonist? Ein Bündnispartner zweiter Klasse? Der Blick auf die Realitäten spricht eine ganz andere Sprache: Deutschland gehört in Afghanistan zu den größten Truppenstellern, gleiches gilt für den Balkan oder in der Levante. Nicht zu vergessen die EU-Friedensmissionen, bei denen Deutschland ebenfalls oft genug voranmarschiert.

Der große Winston Churchill hat sich einst gewundert über die merkwürdige deutsche Rolle in der Welt: "Entweder hat man sie an der Gurgel oder zu Füßen." Mittlerweile ist Deutschland selbstbewusst genug, um eine balancierte Rolle auf der Weltbühne zu spielen.

Eine deutsche Zurückhaltung in der sehr hypothetischen baltischen Beistandsfrage offenbart eher ein gravierendes (Image-) Problem der Nato. Nicht nur, dass sie ohne Visionen und strategisches Konzept dasteht. Hinzu kommt, dass die Hypermacht USA eindeutig den Ton angibt, während die übrigen 25 Länder treu ergeben die Hacken zusammenschlagen müssen. Auch im aktuellen Kaukasus-Konflikt sind es vor allem die USA, die für die Nato eine abschreckende Streitkräfteplanung und höhere Verteidigungsausgaben einfordern. Die EU hebt sich davon wohltuend ab. Zu Unrecht als unfähige Kompromissmaschine verschrien, entpuppt sich die Union als "sanftes Imperium" und erfolgreiche Konfliktmanagerin.

Wenn's um Russland geht, sollte die spezielle deutsche Befindlichkeit nicht unterschlagen werden. Nach dem schrecklichen Gemetzel zweier Weltkriege verspüren die Deutschen - und die Russen ebenso - keinerlei Drang, erneut mit Waffen aufeinander los zu gehen. Der Dialog am Konferenztisch ist allemal besser, selbst wenn man sich dabei anbrüllt. 

Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung (von Gerd Niewerth)

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