Der James-Bond-Kult: Nostalgie für das Empire, Fremdenfeindlichkeit und nationale Unsicherheit
Archivmeldung vom 06.10.2021
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićReverend Frank Gelli schrieb den folgenden Kommentar: " Warum hält sich der Bond-Kult? Warum bleibt 007 eine Ikone, obwohl ein alternder Daniel Craig ein bisschen wie Gollum aussieht oder wie ein Teddybär? Die Antwort ist dreifach: Großbritanniens Nostalgie für das Empire, Fremdenfeindlichkeit und seine nationale Unsicherheit. Ein Geständnis: Ich bin ein Fan von Ian Flemings Romanen. Gutes Englisch, fesselnde Charaktere und fantastische, exotische Schauplätze – und ich mag sie auch wegen dem, was sie über die englische Psyche preisgeben."
Gelli weiter: "Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte Fleming, damals ein Geheimdienstoffizier der britischen Marine, den Untergang des Imperiums. Der Bond-Kult begann nach 1956, dem Jahr des Debakels am Suezkanal – "einer der erbärmlichsten Pannen in der Geschichte der Welt", wie der japanische Spionagechef Tiger Tanaka in "Du lebst nur zweimal" zu Bond sagt – und war somit der richtige Zeitgeist damit Flemings cooler Held oder lizenzierter Killer aus dem Kopf seines Schöpfers entspringen konnte.
Die Öffentlichkeit, verlegen über das düstere Versagen des britischen Geheimdienstes, sowjetische Spione wie Philby, Burgess und Maclean in ihren eigenen Reihen zu entdecken, fand großen fiktiven Trost. Der Held mag fehlerhaft sein und Rückschläge erleiden, aber am Ende erledigt er immer die Feinde seiner Nation. Tatsächlich warnt er also den heimtückischen Goldfinger, bevor er ihn erwürgt: "Leg Dich niemals mit England an!"
Umberto Eco, der gnädig verstorbene, schwülstige Italiener, warf 007 Rassismus vor. Alle fiktiven Schurken von Bond seien Ausländer: Dr. No ist Asiate, Mr. Big ist ein Schwarzer, Scaramanga ein Latino, Hugo Drax ein Deutscher, Blofeld eine Mischung aus Pole und Grieche, Goldfinger möglicherweise Jude, Emilio Largo Italiener und so weiter.
Allerdings ist nur einer schwarz. Alle anderen – mit Ausnahme von Dr. No – sind weiß. Daher ist Fremdenfeindlichkeit und nicht Rassismus der Hautfarbe das vorherrschende Merkmal. In diesem Sinne lag Eco falsch. Fleming hingegen ist aktuell. Während Rassismus gegen Schwarze oder Braunhäutige jenseits aller Grenzen liegt, ist Fremdenfeindlichkeit immer noch salonfähig. Beweise? Schauen Sie sich den Brexit an. Der war hauptsächlich gegen Osteuropäer gerichtet, nicht gegen Afrikaner oder Asiaten, die Feindseligkeit gegen Osteuropäer mobilisierte die britischen Wähler und führte den Brexit zum Sieg. Q. E. D. Was zu beweisen war.
Nicht nur sind Bonds Gauner Ausländer – sie sind auch hässlich. Jeder hat eine körperliche Beeinträchtigung oder Deformität. Im neuesten, in "No Time To Die", heißt der Bösewicht Lyutsifer Safin (gespielt von Rami Malek), und ist im Gesicht entstellt. Das löste Protestschreie in den "woken" Kreisen aus. Warum Böses mit Hässlichkeit gleichsetzen, vor allem wenn es auf Unfälle oder Gene zurückzuführen ist? Ian Fleming hätte es wissen müssen: Im Eton College erlitt er eine gebrochene Nase, die sein Gesicht alles andere als gut aussehen ließ.
Faire Fragen, aber die "Woken" begreifen nicht, dass ästhetische Mängel, um jemanden als Feind rüberzubringen, eine starke semiotische Symbolik bieten. Sie bedeuten eine unheimlichere Seltsamkeit im Inneren des Mannes. Als Shakespeare den schurkischen König Richard III. zu einem Buckligen machte, zeigte er, wie man diese Idee zu einem dramatischen Effekt manipulieren konnte. Werden Bucklige die Absage dieses Theaterstücks fordern? Vielleicht sollten sie …
Okay, es ist ein bisschen paradox, Briten wegen Ausländerfeindlichkeit anzuklagen, wenn gleichzeitig London und andere Großstädte von Millionen von Ausländern überflutet werden und jeden Tag Bootsladungen illegaler Einwanderer verzweifelt versuchen, dieses Land zu erreichen. Sogar die Tories, die einen Enoch Powell hervorgebracht haben, stellen derzeit eine Regierung mit sehr viel sichtbarer "Vielfalt". Ein sizilianischer Industriearbeiter, den ich vor langer Zeit in Bedford kennengelernt habe, lobte die Fairness seiner Arbeitgeber. Er erwartete, dass sie ihn wegen seines schlechten Englisch diskriminieren würden – doch das taten sie nicht. Sie haben ihn befördert, weil er gut in seinem Job war. Obwohl konzeptionell unwahrscheinlich, scheint es, dass Toleranz und Fremdenfeindlichkeit in Großbritannien bequeme Bettgenossen sein können.
Imperialismus hingegen ist eine andere Sache. Eine Nation, deren verlorenes Imperium sich einst über 25 Prozent der Erdoberfläche erstreckte, wird sich eher einem Überlegenheitskomplex hingeben. "Wir sind besser als die Ausländer" – das haben die Briten in ihrer DNA. Das manifestiert sich auf unzählige Arten. Während des Kalten Krieges war Sowjetrussland das schreckliche Schreckgespenst des Westens. In "From Russia with Love" (Liebesgrüße aus Moskau) kämpft Bond gegen verschiedene russkie Bösewichte. Nach dem Ende des Kalten Krieges, tun die Briten immer noch ihr Möglichstes, um die Russen als Menschenfresser darzustellen. Russophobie ist überall.
Und das ist bizarr, denn das neue Russland hat keine imperiale Ideologie. Nur ein Wahnsinniger würde sich vorstellen, dass Präsident Putin, wie Napoleon oder Hitler, versucht wäre, England zu erobern und seine Kosaken in London einmarschieren lassen. Tatsächlich war Russland im vergangenen Jahrhundert zweimal der entscheidende Verbündete Großbritanniens – entscheidend vor allem im Zweiten Weltkrieg. Ohne russisches Blut, würden die Briten 2021 wahrscheinlich in gutturalem Deutsch herum plappern. Drollig!
Aber zurück zum Schauspieler Daniel Craig. Eine Szene in "Casino Royale" zeigte ihn in enger Badehose. Das veranlasste Freundinnen von mir zu fragen: Trägt 007 eine Schamkapsel? Eine heikle Frage. Es wurde gemunkelt, dass Pierce Brosnan – zu Recht oder zu Unrecht – unten rum etwas unterentwickelt war. Ist jetzt auch die metrische Männlichkeit von Daniel Craig in Frage gestellt? Wenn ja, könnte dies die oben erwähnte nationale "Unsicherheit" widerspiegeln. Feministinnen würden sich natürlich die Hände reiben. Ach, komm Sie schon! Die behaupten doch, klein ist schön, nicht wahr?"
Reverend Frank Gelli ist ein anglikanischen Priester, Aktivist und Kulturkritiker. Er hat Philosophie und Theologie an den Universitäten London und Oxford studiert, diente in Pfarreien in London Er hat mehrere Bücher zu spirituellen Themen veröffentlicht, die bei Amazon erhältlich sind, und international auf vielen akademischen Konferenzen Vorträge über religiösen/interreligiösen Dialog gehalten.
Quelle: RT DE von Reverend Frank Gelli