Allg. Zeitung Mainz: Becks Retourkutsche
Archivmeldung vom 23.09.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittMemoiren von Spitzenpolitikern dienen gemeinhin zwei Zwecken: Erstens sollen sie sich verkaufen, zweitens die Dinge nachträglich "ins rechte Licht" rücken. Insofern verwundern die vorab veröffentlichten Sticheleien des Ex-SPD-Bundeschefs Kurt Beck in seiner Autobiografie gegen seinen designierten Nachfolger Franz Müntefering nicht.
Der Pfälzer hätte jedoch gut daran getan, wenn er seine Wut nach dem vermeintlichen Putsch heruntergeschluckt hätte. Denn die Passagen in seinem Buch, die er nachträglich eingefügt hat,vermitteln den Eindruck, dass da einer nachtritt, weil er sich tief beleidigt fühlt. Es riecht nach Rache. Doch es wäre auch anders gegangen: Beck hätte die Chance zur kritischen Selbstanalyse gehabt. Zwar räumt er seinen entscheidenden Fehler ein, noch vor der Hamburg-Wahl eine Öffnung der SPD zur Linken in den westlichen Landtagen ins Spiel gebracht zu haben. Doch der Rest ist Selbstgerechtigkeit. Er sei es gewesen, der Brücken habe bauen wollen, der um ein eigenständigeres Profil der SPD bemüht gewesen sei und der seiner Partei neue Perspektiven habe verschaffen wollen, schreibt der 59-Jährige. Nicht Getriebener, sondern Treibender sei er gewesen. Beck sieht sich "näher an den Realitäten des Lebens" als manch anderer Genosse. Ein Mann, der die in Flügelkämpfen verstrickte Partei versöhnen wollte, ohne sich zu verbiegen, aber von bösen Machenschaften daran gehindert wurde - so lautet die Legende. Doch damit macht es sich der Autor zu einfach. Beck hat versucht, die Berliner Realität auszublenden, die sicherlich aufgeregter, überhitzter und auch verlogener als die rheinland-pfälzische ist. Doch wer die Spielregeln der Berliner Mediendemokratie nicht akzeptiert, wird daran scheitern - und das hat nichts mit Provinzialismus zu tun. Auch davon hätte Becks Buch handeln können.Pressekontakt:
Quelle: Allgemeine Zeitung Mainz