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Börsen-Zeitung: Vertrauen erschüttert

Archivmeldung vom 15.01.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 15.01.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Soll man der Deutschen Bank gratulieren? Da hat die Finanzkrise auch dieses Institut voll erwischt und im vierten Quartal sowie im Gesamtjahr 2008 zu einem schockierenden Milliardenverlust geführt, der einmalig ist in der fast 140-jährigen Unternehmenshistorie.

Dennoch sträubt sich der Primus im deutschen Geldgewerbe hartnäckig, dem Steuerzahler zur Last zu fallen, indem er auf staatlichen Beistand zurückgreift. Das ist zunächst einmal ehrenhaft. Einen solchen Stolz und Ehrgeiz, die seit Mitte 2007 andauernde und im Schlussquartal 2008 dramatisch verschärfte Finanzkrise aus eigener Kraft und mit Hilfen institutioneller Investoren durchzustehen, besitzen weltweit und auch auf nationaler Ebene nicht mehr viele Konkurrenten.

Kann die Deutsche Bank diesen Kurs aber durchhalten? Zwar hat sich Vorstandschef Josef Ackermann den Griff in den staatlichen Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (Soffin), den die Bundesregierung im Oktober mit 480 Mrd. Euro ausstattete, quasi selbst verbaut. Doch könnte es schwierig werden für die Deutsche Bank, bis zum Ablauf von Ackermanns Vertrag im Frühjahr 2010 auf solchen Beistand zu verzichten. Immer mehr Konkurrenten verschaffen sich Wettbewerbsvorteile, indem sie wie etwa Goldman Sachs zur günstigeren Refinanzierung staatliche Garantien für die Emission neuer Schuldtitel in Anspruch nehmen. Durch den Einstieg des Staates als Großaktionär stabilisieren Institute wie die Commerzbank zudem ihre Kapitalbasis, was diesen Instituten im Geschäft unmittelbar zugute kommt, beispielsweise in der Mittelstandsfinanzierung. Es drohen neben weiteren Belastungen im Zuge der Finanzkrise zunehmende Risiken infolge der rasanten konjunkturellen Talfahrt. Keine guten Ertragsaussichten für die Kreditwirtschaft wie für die Deutsche Bank: Standard & Poor's entzog dem Institut unlängst bereits das Doppel-A-Rating, wodurch sich die Refinanzierung am Kapitalmarkt weiter verteuert.

Das vierte Quartal hat gezeigt: Auch die Deutsche Bank ist in dieser epochalen Finanzkrise kein Fels in der Brandung. Die schweren Verwerfungen an den internationalen Kapitalmärkten im Zuge der offenbar unvorstellbaren Pleite einer systemrelevanten Bank wie der US-Investmentbank Lehman Brothers haben auch dem größten deutschen Kreditinstitut schwer zugesetzt. Schon im dritten Quartal gelang es nur noch dank international gelockerter Bilanzierungsregeln, den Ausweis roter Zahlen mit Ach und Krach zu vermeiden. Nun kommt Bank-Chef Ackermann, der 2008 schon das Ende der Finanzkrise herannahen sah, bei fast 5 Mrd. Euro Verlust im Schlussabschnitt nicht mehr umhin, "einige Schwächen in der Bank" einzuräumen. Die Wortwahl insinuiert immer noch geradezu harmlose Probleme in Anbetracht des radikalen Schrumpfkurses bei der Citigroup, angesichts von Übernahmen der einstigen Investmentbankrivalen Merrill Lynch und Bear Stearns sowie des Geschäftsmodellwechsels bei Morgan Stanley und Goldman Sachs. Doch trifft das auch zu? Die roten Zahlen in Milliardenhöhe sind verheerend für ein Haus, das lange Zeit den Eindruck erweckte, die Finanzkrise vergleichsweise unbeschadet überstehen zu können. Der gestrige Tag hat das Vertrauen der Aktionäre erschüttert: Nach dem Einbruch des Börsenwerts um fast 70% im vergangenen Jahr büßte die Bank allein am Mittwoch weitere 9% ein.

Der Bank - nicht zuletzt ihrem Vorstandsvorsitzenden - wird es nun mehr denn je darauf ankommen, die Kapitalbasis und die Liquiditätspositionen stabil zu halten. Der gewaltige Abbau von Kreditrisiken, die Verringerung des Verschuldungsgrades und mithin die sehr konservative Bilanzierung der eigenen Verbindlichkeiten zeigen an, mit welcher Wucht die Bank um den Schutz ihrer Kapitalbasis kämpft. Dazu passt auch, dass der unmittelbar vor der Lehman-Pleite angekündigte Einstieg bei der Postbank, deren Börsenwert seitdem um mehr als zwei Drittel erodierte, nachverhandelt wurde. Denn für die Deutsche Bank verringert sich mit dem gefundenen Kompromiss die Kapitalbelastung um wertvolle 0,3 Prozentpunkte, auch weil sie die Postbank-Anteile nicht in bar bezahlt. Die Postbank-Mutter Post, die bei der Deutschen Bank mit 8,1% einsteigt, stärkt früher als geplant ihre Liquidität um 3,8 Mrd. Euro. So betrachtet haben die Parteien eine unmittelbar für beide Seite vorteilhafte Konstellation gefunden.

Ihr angekündigtes Ziel einer - im internationalen Vergleich wettbewerbsfähigen - Kernkapitalquote von 10% hat die Deutsche Bank zum Jahresende erreicht. Dieses Niveau muss das Institut nun unter allen Umständen halten. Ohne Staatshilfe? Dass die Aktionäre noch eine Dividende von 50 Cent je Papier erhalten sollen, ist vor allem ein vertrauenserhaltendes Signal. Bemerkenswert erscheint auch, dass die Bank, die im ihr Investment Banking erklärtermaßen reduzieren will, anders als Wettbewerber ohne tiefe personelle Einschnitte auskommen will. Doch die Luft ist nach dem vierten Quartal dünn geworden. Gratulieren wäre nicht angebracht, eher viel Glück zu wünschen.

Quelle: Börsen-Zeitung (von Carsten Steevens)

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