Lausitzer Rundschau: Zu Gebäudereiniger/Mindestlohn: Irrweg
Archivmeldung vom 24.08.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie schwarz-rote Bundesregierung hat gestern einen Präzedenzfall mit gehöriger Sprengkraft geschaffen. Auf ihrer Suche nach einem populären Heilmittel gegen Sozialdumping und Arbeitslosigkeit entschied das Kabinett, das Entsendegesetz erstmals über die Baubranche hinaus auszudehnen und auch für die Sparte der Gebäudereiniger einen bundesweit allgemeinverbindlichen Mindestlohn einzuführen.
So war es auf Wunsch der SPD in den Koalitionsvertrag geschrieben worden.
Was bedeutet, dass mit Inkrafttreten auch Gebäudereinigungsfirmen
ohne deutschen Tarifvertrag ihren Putzkolonnen den vorgegebenen
Mindestlohn zahlen müssen. Ein Mindestlohn ist faktisch die
Untergrenze, zu der gearbeitet werden darf. Wer nicht bezahlt, macht
sich strafbar.
Als politische Geste mögen derartige Mindestlöhne helfen, die Ängste
der Arbeitnehmer um ihre Jobs zu mildern. Für Politiker eine
verlockende Lösung, zumal sie den Staat selbst ja nichts kostet. Denn
die Mindestlöhne müssen die Unternehmen zahlen.
Doch wer ehrlich ist zu den Menschen, sollte ihnen auch sagen, dass
Mindestlöhne generell die Arbeitslosigkeit in Deutschland nicht
wirklich bekämpfen. Ist er nämlich zu hoch, dann können Unternehmen
ihn nicht mehr zahlen und stellen nicht mehr Menschen ein, sondern
weniger. Ist er zu niedrig, hilft er wenig, weil zu diesen
Bedingungen keiner arbeiten will; Hartz-IV-Geld ist dann für viele
einfach attraktiver.
Und schon klopft die Zeitarbeitsbranche mit ihren fast 500 000
Beschäftigten laut in Berlin an. Deren beide größten
Arbeitgeberorganisationen hätten ebenfalls gerne einen
allgemeinverbindlichen Branchen-Mindestlohn nach dem Entsendegesetz
für ganz Deutschland. Vordergründig geht es ihnen dabei um die
womöglich drohende Konkurrenzgefahr durch osteuropä-ische
Zeitarbeits-Unternehmen. In Wahrheit wollen die beiden Großen der
Branche, die die Gutverdiener als Mitgliedsfirmen in ihren Reihen
haben, unliebsamer kleinerer Verbands-Konkurrenz die Atemluft nehmen,
bei der die untere Bandbreite der Zeitarbeit organisiert ist. Der
Wunsch nach Mindestlohn hat also nicht nur hehre Motive.
Gestern zogen Union und SPD bei den Gebäudereinigern an einem
Strang. Das wird aber nicht so bleiben. Denn in den Reihen der
Sozialdemokraten ist die Lust am Ausbau von Mindest- und
Kombilohnmodellen sehr ausgeprägt. Bei der Union weniger. Spätestens
Anfang November will Arbeitsminister Franz Müntefering endlich sein
lange angekündigtes Gesamtmodell für den Niedriglohnsektor aus
Mindest- und Kombilohn und einer gründlichen Reform von Hartz IV
präsentieren. Der Herbst verspricht spannende Debatten.
Quelle: Pressemitteilung Lausitzer Rundschau