Lausitzer Rundschau: Parteitag der Grünen in Köln Aus alt mach' neu
Archivmeldung vom 04.12.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittStellen wir uns für einen Moment vor, die Bundestagswahlen hätten wie geplant in diesem Herbst stattgefunden: Die Schröder-Regierung ist aus dem Jammertal heraus. Mehr Wachstum, weniger Arbeitslose, gute Konsumlaune, schlechte Karten für die Union.
Kurzum, eine Neuauflage von Rot-Grün wäre nicht
unwahrscheinlich gewesen. Joschka Fischer könnte dann immer noch über
den Ökos thronen, die sich in der Berliner Macht-Maschine weiter als
"Reformmotor" verstünden. Und alles ginge seinen grünen Gang.
Nun kam bekanntlich alles ganz anders und die Degradierung zur
kleinsten Oppositionspartei im Bundestag offenbart das ganze Ausmaß
des grünen Elends. Zum Machtverlust im Bund kommt eine totale
Regierungsabstinenz in den Ländern. Besonders aber muss der Partei zu
schaffen machen, dass sich an ihrer Grundkompetenz längst auch die
politische Konkurrenz vergreift. Ein bisschen Öko sind mittlerweile
alle etablierten Parteien. Damit gerät das Alleinstellungsmerkmal der
Grünen in Gefahr. Deshalb setzt die Parteispitze auf Altvertrautes in
neuem Gewand: Wenn die anderen ökologisch werden, so das Kalkül, dann
muss es bei uns wieder radikal-ökologisch zugehen. Der jüngste
Parteitag in Köln lässt allerdings ahnen, dass dieser Kurs zum
Dilemma werden könnte. Zweifellos verbindet sich mit dem drohenden
Klimawandel ein grüner Popularitätsschub. Vom radikalen Ansatz bis
zum radikalen Abseits ist es aber zuweilen nur ein kleiner Schritt.
Das hat sich vor acht Jahren gezeigt, als die Grünen mit der
Forderung nach einem Benzinpreis von fünf Mark pro Liter in den
Wahlkampf zogen und fast am Wählerzorn gescheitert wären. Auch ihr
neuester Wunschkatalog vom Tempolimit auf Autobahnen, über eine
City-Maut bis hin zur Verteuerung von Billig-Flügen dürfte die Massen
nicht gerade zu Begeisterungsstürmen hinreißen. 1998 hatte übrigens
Joschka Fischer seine Partei mit einem bis dato beispiellosen
persönlichen Einsatz vor dem Wahluntergang bewahrt. Diesen
Persönlichkeitsfaktor sucht man heute bei den Grünen vergebens.
Wollen die Grünen wieder in der Regierungsverantwortung mitmischen,
müssen sie nicht nur ihr Personalangebot klären. Auch die
Scheuklappen gegenüber Union und FDP müssen verschwinden. In Köln hat
die Parteispitze schwarz-grüne Optionen zum Teufelszeug erklärt. Das
mochte dem Selbstvertrauen an der Basis dienen. Aber längerfristig
wird es zu neuen Machtbündnissen kommen müssen, soll die Große
Koalition nicht auf Ewigkeit regieren. Zur Vorbereitung darauf
gehören realitätstaugliche Konzepte. Denn je mehr die Führung ihr
Heil in radikalen Entwürfen sucht, umso größer wird die Enttäuschung
an der Basis sein, wenn es zum politischen Schwur kommt.
Quelle: Pressemitteilung Lausitzer Rundschau