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Börsen-Zeitung: Die Funding-Krise

Archivmeldung vom 04.10.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 04.10.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Rekorde, wohin man blickt. Die Krise am Geldmarkt hat sich seit dem Kollaps der US-Bank Lehman Brothers noch einmal deutlich verschärft. In der abgelaufenen Woche haben die Sätze in den längeren Fristen wahrhaft fantastische Höhen erreicht. Der Drei-Monats-Euribor bei 5,3%, der Dollar-Libor für drei Monate bei 4,2% - Zahlen, die Geldhändler das Fürchten lehren sollten.

 Tun sie aber nur am Rande, denn der Markt ist trocken. Die gefixten Sätze wie Libor und Euribor, die von Banken an die Verbände gemeldet werden, haben mit der Realität am Markt nichts mehr zu tun. Da wird in den langen Fristen quasi gar nicht mehr gehandelt. Deshalb hat sich der Terminus von den "gesprochenen Sätzen" für Libor und Euribor durchgesetzt, während die gehandelten Sätze fast nicht existent sind.

Die Bankenkrise hat sich in den vergangenen Wochen fundamental gewandelt: Die jüngsten Schieflagen hängen weniger mit strukturierten Produkten und giftigen Assets zusammen als mit einem Funding-Problem - die Banken konnten sich im Interbankenhandel schlicht nicht mehr refinanzieren. Das liegt indes nicht daran, dass kein Geld im Markt ist: Die Geschäftsbanken haben in der abgelaufenen Woche Rekordsummen bei der EZB geparkt, statt das Geld für höhere Zinsen an eine konkurrierende Bank weiterzuverleihen. Was fehlt, ist weder Angebot noch Nachfrage, was fehlt, ist Vertrauen. Und Vertrauen entsteht aus Sicherheit.

Doch die kann die EZB den Banken nur bedingt geben. Die Forderung, die Tendergeschäfte aus Laufzeiten bis zu einem Jahr auszuweiten, könnte die Sätze am langen Ende zwar drücken. Gleichwohl ist damit nicht gesichert, dass der Umverteilungsmechanismus in Gang kommt und die Banken das Geld weiterverleihen, statt es zu horten. Vergleichsweise gut stehen noch Banken mit einem starken Einlagengeschäft da, die sich refinanzieren können, indem sie den Retailkunden mit hohen Tagesgeldsätzen das Ersparte entlocken. Doch auch hier droht Ungemach; seit der Krise von Hypo Real Estate machen sich die Sparer Sorgen um die Qualität der Einlagensicherung. In den Sätzen am Interbankenmarkt, so heißt es, ist die Möglichkeit eines BankRuns zumindest teilweise eingepreist.

So gesehen ist der Ruf nach staatlichen Garantien für Banken nachvollziehbar. Zwei Möglichkeiten werden aktuell am Markt diskutiert. Erstens: Der Staat garantiert nach irischem Vorbild für die Banken. Damit wissen die Geschäftsbanken, dass die Gegenpartei im Interbankenhandel nicht umkippen wird. Das kurbelt das Funding an. Zweitens: Die Einlagensicherung wird drastisch nach oben gefahren. Das bringt den Banken mit Einlagengeschäft ängstliche Kunden zurück und stellt das Funding auf eine breitere Basis. In der aktuellen Krise am Geldmarkt würden beide Lösungswege Linderung bringen - wichtig ist nur, dass schnell gehandelt wird.

Das mangelnde Vertrauen ist auch in anderen Marktsegmenten zu spüren. Der Primärmarkt für Bonds von Unternehmen oder Financials ist tot. Seit Anfang September wurde laut Marktteilnehmern kein vernünftiger Deal mehr über die Bühne gebracht. Selbst sichere Adressen wie beispielsweise eine KfW bekommen das an niedrigeren Orderbüchern zu spüren. Wer Liquidität hat, behält sie auch.

Ein ganz anderes Ereignis wird in der neuen Woche aber noch verfolgt werden. Am Markt für Kreditderivate finden die Abwicklungen der beiden prominentesten Kreditereignisse statt, seitdem der Markt für Kreditderivate Ende der neunziger Jahre aus der Taufe gehoben wurde. Die ISDA (International Swaps and Derivatives Association) - der Branchenverband für die im außerbörslichen Derivatehandel tätigen Institute - wird die Auktionen zur Ermittlung der Recovery Rates (Liquidationserlöse) der Verbindlichkeiten von Fannie Mae, Freddie Mac und Lehman Brothers abhalten. Mit den in den Auktionen ermittelten Recoveries werden die Ausgleichszahlungen für die Inhaber von entsprechenden Positionen in den Absicherungskontrakten (Credit Default Swaps) errechnet. Experten gehen davon aus, dass die Auktionen problemlos über die Bühne gehen werden. Es hat genügend Praxistests in Form von entsprechenden Defaults und damit Auktionen in der Vergangenheit gegeben. Das System gilt als stabil. Alles andere wäre eine faustdicke Überraschung.

Quelle: Börsen-Zeitung (von Martin Hampel)

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