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WAZ: Opfer macht sich nicht zum Täter

Archivmeldung vom 01.08.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 01.08.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Vergebung statt Vergeltung: Überraschend verzichtete Ameneh Bahrami gestern darauf, ihren Peiniger zu blenden. Das Recht hatte ihr 2009 ein iranisches Gericht zugesprochen. Die Richter argumentierten mit dem in der islamischen Scharia verankerten Prinzip "Auge um Auge".

Wie groß der Schmerz der einst lebenslustigen Frau nach dem Attentat gewesen sein mag, wie schrecklich das Trauma, einer Lebensperspektive beraubt zu werden, wie grausam die Erkenntnis, den Rest des Lebens auf Hilfe angewiesen zu sein - dieses Martyrium können Außenstehende nur erahnen. Dennoch: "Auge um Auge" klingt nach tiefstem Mittelalter. Mal abgesehen davon, dass tradiertes religiöses Recht mit dem international geltenden Völkerrecht und der Menschenwürde kaum vereinbar ist, wäre eine Vollstreckung des iranischen Urteils inhuman und grausam. Es käme einer staatlich abgesegneten Misshandlung und Folter gleich.

Sieben Jahre hat Ameneh Bahrami für diesen Moment der Rache gekämpft. Was auch immer ihre Beweggründe waren, auf Vergeltung zu verzichten, ihre Entscheidung zeigt Größe, verlangt Respekt. Denn mit der Blendung ihres Peinigers hätte sie das Verbrechen nicht ausgeglichen. Im Gegenteil: Sie hätte sich mit dem Täter auf eine Ebene begeben, hätte ihn, den grausamen Angreifer, sogar zum Opfer gemacht.

Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung (ots)

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