Mindener Tageblatt: Kommentar zu Wehrpflicht und Wehrgerechtigkeit
Archivmeldung vom 01.08.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittMit der Sache hat sich das Bundesverfassungsgericht nicht auseinandergesetzt, es entschied anhand einer Formfrage. Kein Grund also für die Verteidiger der Wehrpflicht, einen juristischen Sieg zu feiern.
Die Wehrpflicht bleibt eine drängende Frage an die Politik - und da gehört sie auch hin. Man braucht kein Gericht zur Feststellung, dass es mit der Wehrgerechtigkeit derzeit tatsächlich nicht weit her ist, wenn mehr als 60 Prozent der dienstpflichtigen Männer weder Wehr- noch Ersatzdienst leisten. Unter anderem die FDP sieht sich auch darin in ihrer Forderung nach Abschaffung, zumindest aber Aussetzung des Wehrdienstes bestärkt. Eine scheinbar praktische und zweifellos auch populäre Konsequenz, der sich die Volksparteien jedoch - zu Recht - verweigern. Man kann aus guten Gründen über die Wehrpflicht streiten. Andere Demokratien kommen ohne sie aus. Die Bundesrepublik Deutschland jedoch hat gute Erfahrungen mit der Wehrpflicht gemacht. Sie sorgte für die Einbettung des früher zum Staat im Staate neigenden Militärs in die demokratische Gesellschaft und umgekehrt, erforderte eine zeitgemäße innere Führung, schuf den Bürger in Uniform. Eine Wehrpflichtarmee legt die politische Latte höher, wenn über Auslandseinsätze entschieden werden muss, zumal solche mit dem tatsächlichen Risiko militärischer Gewaltanwendung. Eine Wehrpflicht trägt aber auch dazu bei, dem Bürger seine ganz persönliche Verantwortung für das Gemeinwesen über die Steuerpflicht und die Beachtung der Straßenverkehrsordnung hinaus bewusst zu machen. Für dieses Verantwortungsbewusstsein allerdings ist Gerechtigkeit bei der Einforderung der Dienstpflicht oberste Voraussetzung. Der aktuelle Zustand jedenfalls hat die Wehrpflicht de facto schon fast abgeschafft - auf kaltem Weg. Wer das ignoriert, verteidigt sie nicht, sondern trägt zu ihrem endgültigen Ableben bei.
Quelle: Mindener Tageblatt