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WAZ: Die Deutschen und die Atomkraft

Archivmeldung vom 08.07.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 08.07.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Im Juli 2007 sorgt ein Kurzschluss für eine Unterbrechung der Stromversorgung im schwedischen Atomkraftwerk Forsmark - eine Kernschmelze wird nur zufällig verhindert. Zwei Monate später wird ein norwegischer Forschungs-Reaktor nach einem Zwischenfall abgeschaltet. Im Juni 2007 brennt es im Atommeiler Krümmel. Vor wenigen Wochen wurde der slowenische Reaktor Krsko nach einem Wasseraustritt vorsorglich abgeschaltet. Im niedersächsischen Asse sorgen sich Forscher und Bürger um eine radioaktive Lauge, die durch das Atommüll-Zwischenlager suppt.

Beruhigend klingt das nicht. Und wie reagiert die Bevölkerung auf diese Serie von Pannen und Betriebsstörungen? Eigenartig. Denn im vergleichbaren Zeitraum stieg die Zahl der Befürworter für die Energie-Produktion durch Kernkraftwerke um sieben auf 44 Prozent. Wie passt das zusammen? Haben die Deutschen nach Jahrzehnten erbitterter Proteste die Atomenergie doch noch akzeptiert?

Die wesentlichen Gründe für die wach-sende Zustimmung zur Kernenergie liegen auf der Hand: Die Debatte über die Notwendigkeit des Klimaschutzes und die dramatisch steigenden Energiepreise zeigen Wirkung. Es klingt ja auch so verlockend einfach. Die Laufzeiten der deutschen Meiler werden verlängert: Kurz darauf sinkt der Kohlendioxid-Ausstoß, auf Grund des Mehrangebots an Energie fallen die Strom-Preise. Schöne, trügerische Welt. Eine Milchmädchenrechnung, die den globalen Aspekt der Luft-Verschmutzung und den dauerhaften Druck auf die Ölpreise völlig außer Acht lässt. Wobei diese Feststellung die Gegner der Atomenergie keineswegs von der Frage befreit, wie sie sich einen möglichst sauberen und bezahlbaren Energiemix der Zukunft vorstellen. Wind und Sonne? Das wird nicht ansatzweise reichen. Letztlich wird es auf ein Maximum an Einsparungen, auf eine Ausschöpfung der bestehenden Atommeiler-Kapazitäten und eine optimale Förderung zum Ausbau erneuerbarer Energien hinauslaufen.

Allein die Wut über die Energiepreise reicht allerdings nicht als Erklärung für die Gelassenheit der Deutschen im Umgang mit der Atomenergie. Entscheidend dafür ist der Atomkonsens aus dem Jahr 2000, der vorsieht, dass der letzte der 17 deutschen Reaktoren 2021 vom Netz geht: Die meisten Deutschen vertrauen auf dieses Szenario, es wirkt wie eine Protest-Bremse. Zumal es bei jeder Umfrage auf die Frage ankommt. Die Zustimmung zur Atomkraft wächst zwar - aber meist mit dem Zusatz, dass parallel dazu die Endlagerung des strahlenden Mülls geklärt werden müsse.

Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung (von Norbert Robers)

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