LVZ: Leipziger Volkszeitung zur Airbus-Krise
Archivmeldung vom 05.10.2006
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 05.10.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEin Flieger der Superlative ist der Airbus A380 von Anfang an gewesen. Schon von seinen Ausmaßen her. Nun gesellen sich die Gesamtkosten dazu: Mit rund acht Milliarden Euro ist er die größte technische Entwicklung der zivilen Luftfahrt und mittlerweile fast doppelt so teuer wie ursprünglich geplant, was auch mit den Schwierigkeiten um den künftigen Langstreckenflieger A350 zusammenhängt.
Und mit jeder Woche, die sich die Auslieferung des
Hoffnungsträgers verzögert, wachsen die Kosten weiter, hält der
Sinkflug an.
Der Mutterkonzern EADS hat viel zu spät gehandelt und kommt nun nicht
umhin, bei den Produktionskosten zu sparen, endlich hausgemachte
Probleme anzugehen. Und die liegen in der Ineffizienz des
europäischen Riesen. Als deutsch-französiches Projekt vor fast vier
Jahrzehnten gestartet, stiegen später auch Griechenland und Spanien
an Bord. International stärker wollte man aufgestellt sein. Diesem
Ziel opferten die Staaten ihre nationalen Flugzeughersteller,
brachten sie in das Gemeinschaftsunternehmen ein.
Die Produktionsstätten liegen weit auseinander, was in der Branche
nichts Ungewöhnliches ist, auch Konkurrent Boeing kooperiert beim Bau
seiner Riesenvögel mit Partnern in Asien und Europa, fliegt
Baugruppen tausende von Kilometern zur Endfertigung nach Seattle. Nur
anders als bei Boeing macht bei Airbus die Politik penibel ihren
Einfluss geltend, um möglichst viel Produktion und Entwicklung im
jeweiligen Land zu halten.
In Krisenzeiten wie diesen ist das überaus hinderlich. Statt endlich
klare Zielvorgaben zu artikulieren und danach zu handeln, auch wenn
das für die betroffenen Airbus-Mitarbeiter schmerzlich wird, zieht
offensichtlich die französische Regierung im Hintergrund die Fäden,
um den heimischen Standort Toulouse vor Einsparungen zu schützen.
Berlin kommt in dieser Situation gar nicht umhin, in die Offensive zu
gehen. Geht es um gemeinsame Industrieprojekte, zeigen sich die
Franzosen überaus patriotisch und den Deutschen die lange Nase. Böse
in Erinnerung sind die von Paris unterstützte feindliche Übernahme
von Aventis durch Sanofi oder der staatlich verhinderte Einstieg von
Siemens bei Alstom. Angst muss machen, dass der französische Staat
vor kurzem zusätzliche Aktien der Airbus-Mutter EADS erworben hat.
Einer solchen Industriepolitik kann die Bundesregierung nur begegnen,
wenn sie glaubhaft damit droht, ebenfalls bei EADS einzusteigen.
Sonst entscheidet letztlich die französische Regierung über deutsche
Arbeitsplätze. Klar muss aber auch sein: Der Reorganisierung darf
sich auch der deutsche Staat nicht in den Weg stellen. Die
Arbeitsabläufe zwischen den Airbus-Standorten müssen effizienter
werden. Es kann nicht sein, dass in Hamburg verlegte Kabelstränge in
Frankreich wieder aus den Riesenvögeln gerissen werden. Airbus sollte
diese und andere Probleme schleunigst in den Griff bekommen - sonst
droht dem Hoffnungsträger A380 der Absturz. Und das wird dann weder
Paris noch Berlin verhindern können.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung