Westdeutsche Zeitung: Bürger-Telefon
Archivmeldung vom 19.12.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEinsicht ist bekanntlich der erste Schritt zur Besserung. In der Politik dagegen, muss man schon genauer hinschauen. Die Einsicht kann sich hier zum Beispiel als Sonntagsrede entpuppen, deren stetige Wiederholung keineswegs irgendwelche Konsequenzen nach sich ziehen muss.
Seit Jahrzehnten versprechen uns zum Beispiel die
wechselnden Regierungen einen Bürokratieabbau oder träumen in schöner
Regelmäßigkeit von einem einfachen Steuersystem, das jeder Mensch
versteht. Geändert hat sich nichts.
Von daher sollten wir die Ankündigung eines Behörden-Notrufs, der
auf Zuruf den Dschungel der öffentlichen Verwaltung lichtet und dem
Bürger beim Kleinkrieg mit dem uneinsichtigen Sachbearbeiter weiter
hilft, mit der nötigen Skepsis betrachten. Der Verdacht liegt nahe,
dass die Bundeskanzlerin ein Projekt ventiliert, das noch gar nicht
spruchreif ist. Denn auch wenn die City of New York und auch die
Stadt Duisburg funktionierende Call-Center eingerichtet haben, die
als Bürgerbüro funktionieren: Dass dies auch im bundesweiten Maßstab
funktionieren kann, ist noch lange nicht ausgemacht. Und wer verfolgt
hat, wie sich dieses Land seit über zehn Jahren an der Einführung
eines modernen Polizeifunks verhebt, der darf mit Recht an allen
Lösungen zweifeln, die ihr Heil im zentralistischen Ansatz suchen.
Wir Bürger verlangen nach ganz Anderem. Wir wollen eine wohnortnahe Verwaltung, die gar nicht rund um die Uhr erreichbar sein muss. Wir wollen Behördenchefs, die die Norm nicht als Selbstzweck betrachten und auch mal Fünfe gerade sein lassen können. Und wir brauchen Politiker, die sich nicht an Notruf-Ideen oder Behörden-Tüvs ergötzen, sondern mindestens so viele Gesetze und Verordnungen einkassieren wie sie auf den Weg bringen.
Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Zeitung