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Laientheater für die Galerie

Archivmeldung vom 03.12.2021

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 03.12.2021 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Sanjo Babić

Der Grat zwischen Politik und Posse ist bekanntermaßen sehr schmal. In Brüssel wurde er jetzt wieder überschritten. Der Reihe nach: 2020 hatte das Bundesverfassungsgericht das Anleihekaufprogramm PSPP der Europäischen Zentralbank (EZB) als nicht konform mit dem Grundgesetz bezeichnet - ein durchaus fragwürdiges Urteil. Zugleich wagte Karlsruhe den Angriff auf den Europäischen Gerichtshof und warf ihm Entscheidungen jenseits seiner Kompetenzen ("ultra vires") vor.

Es gibt gute Argumente, das Bundesverfassungsgericht dafür zu kritisieren, dass es ohne Rücksicht auf die Folgen wild um sich schlägt. Jede politische Erklärung, die das Urteil des Bundesverfassungsgerichts missbilligt hätte, wäre insofern nachvollziehbar gewesen. Ganz und gar nicht akzeptabel ist indes, dass der EU-Kommission nichts Klügeres einfiel, als ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland - also gegen die Bundesregierung - zu starten. Solche Verfahren mögen als Druckmittel taugen, wenn es um EU-Richtlinien für Tiergesundheit geht. Für eine politische Kraftprobe über ein fundamentales Thema der europäischen Integration - das Verhältnis von nationalem und europäischem Recht - sind sie völlig ungeeignet. Zumal, weil sie sich stets gegen die Regierung richten, auch wenn sie eigentlich auf ein Gericht zielen. "Auf den Sack schlagt man, den Esel meint man", heißt es bei Schiller.

Den dramatischen Höhepunkt hat dieses Laientheater gestern erreicht. Versteckt im hinteren Teil einer Bekanntmachung erklärte die EU-Kommission das Verfahren für beendet. Deutschland habe "weitreichende Zusagen" gemacht. Das ist Unfug.

Die Bundesregierung hat nur bestätigt, was unzweifelhaft ist: die Grundsätze des Vorrangs der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts anzuerkennen. Das ist eine Selbstverständlichkeit und keine Zusage, schon gar keine weitreichende. Zudem verpflichtet sich Berlin zu vermeiden, dass das Gericht noch einmal ein "Ultra vires"-Urteil fällt - indem die Regierung "alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel" nutzt. Eine solche Verpflichtung einzugehen fällt nicht schwer, wenn einem ohnehin kaum Mittel zur Verfügung stehen, das oberste Gericht von etwas abzuhalten - und das ist erfreulicherweise in gewaltenteiligen Staaten wie Deutschland der Fall.

Kurzum: Die EU-Kommission hat - vor allem für die Galerie in Polen und Ungarn - viel Theaterdonner inszeniert. Und nun still und leise den Vorhang fallen lassen, in der Hoffnung, dass niemand merkt, welche Schmierenkomödie da aufgeführt wurde.

Quelle: Börsen-Zeitung (ots)  von Detlef Fechtner

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