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Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Bundespräsidentenwahl

Archivmeldung vom 01.07.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 01.07.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Der Super-Gau(ck) ist für die schwarz-gelbe Bundesregierung zwar ausgeblieben, und der neue Bundespräsident heißt wie erwartet Christian Wulff, aber dennoch: So holprig wie die Wahl des Bundespräsidenten im dritten Anlauf über die Bühne gegangen ist, so sehr kommt sie einer Niederlage für Angela Merkel und die Bundesregierung gleich.

Es war nicht unbedingt die ganz große Überraschung, dass Christian Wulff es nicht gleich auf Anhieb im ersten Wahlgang gepackt hat. Aber mit der großen Zahl von etwa 40 Abweichlern aus den eigenen Reihen hatten wohl nur die wenigsten gerechnet, nicht einmal die Bundeskanzlerin. Angela Merkels versteinerter Blick nach dem ersten Wahlgang sprach Bände. Und an ihrer finsteren Miene änderte sich lange nichts, auch wenn sie ihrem Kandidaten am Ende doch noch mit gequältem Lächeln gratulieren konnte. Die Bundespräsidentenwahl sollte für Schwarz-Gelb so etwas wie ein Befreiungsschlag werden und einen Neubeginn einläuten. Am Ende hat die Regierung zwar ihren Kandidaten im dritten Versuch mit Ach und Krach durchs Ziel gebracht, aber unter dem Strich ist das Ergebnis ein weiterer Misserfolg für Merkel, Westerwelle, Seehofer & Co. Die Präsidentenwahl ist ein Zeichen dafür, wie zerstritten, machtbesessen und letztlich regierungsunfähig einzelne Politiker der drei Koalitionspartner sind. Bester Beleg dafür ist die Tatsache, dass die Regierungsparteien sich bereits nach dem enttäuschenden Ergebnis des ersten und auch des zweiten Wahlgangs erneut angegiftet und versucht haben, sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe zu schieben. Man kann viel spekulieren, aus welchem politischen Lager die Abweichler in den ersten Wahlgängen stammen. Viel spricht dafür, dass Wahlberechtigte aller drei Regierungsparteien - CDU, CSU und FDP - sich für Joachim Gauck und gegen Christian Wulff entschieden haben, weil sie Gauck für den besseren Kandidaten halten. Einige der Abweichler sind aber auch aus ganz anderen Gründen aus der Reihe getanzt. Sie wollten mit ihrem Votum bewusst Angela Merkel und ihrer Regierung einen gehörigen Denkzettel verpassen, was ihnen auch gelungen ist. SPD und Grüne haben es geschafft, die Regierung zu schwächen. Und obwohl die Nominierung Gaucks auf den ersten Blick ein kluger Schachzug war, hat Rot-Grün dafür nicht nur Lob verdient. Denn in erster Linie ging es Sigmar Gabriel und Jürgen Trittin darum, mit einem Kandidaten, der den konservativen Parteien nahe steht, Schwarz-Gelb massiv ins Schleudern zu bringen. Verantwortungsvolles Handeln sieht anders aus. Somit gibt es außer der Demokratie, die eine Sternstunde erlebt hat, keine wirklichen Gewinner, aber einige Verlierer. Vor allen Dingen den Verlierern sollte diese Wahl sehr zu denken geben.

Quelle: Westfalen-Blatt

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