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Börsen-Zeitung: In Berlin ist Weitblick gefragt

Archivmeldung vom 25.10.2017

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 25.10.2017 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott

Dieses Mandat ist offenbar nicht nur für die Berater lukrativ, sondern auch für die Aktionäre: Um rund 6% auf 12,12 Euro ist der Kurs der Commerzbank am Dienstag in die Höhe geschossen, nachdem ruchbar wurde, dass sich die Bank die Dienste von Goldman Sachs und Rothschild gesichert hat, um sich für etwaige Übernahmeavancen zu wappnen.

Das Management wäre mit dem Klammerbeutel gepudert, würde es für solche Szenarien nicht vorsorgen: Hatte lange Zeit ein Berg zur Abwicklung anstehender Assets des Instituts als eine Art Giftpille fungiert, so wirkt das Haus auf den Markt wieder zunehmend attraktiv. In seiner Wahrnehmung ist die Commerzbank auf dem Wege zu ihrer Neuausrichtung weiter vorangekommen als die Deutsche Bank: Seitdem die Commerzbank Ende September vergangenen Jahres ihre neue Strategie angekündigt hat, ist der Aktienkurs um 108% in die Höhe geschossen. Aktien der Deutschen Bank, die im Frühjahr einen Strategieschwenk nebst milliardenschwerer Kapitalerhöhung bekannt gegeben hat, verteuerten sich derweil um 63%.

Die Interessensbekundungen häufen sich. Cerberus, bereits im Besitz der österreichischen Bawag, hat sich beteiligt, offenbar in der Hoffnung, noch günstig einzusteigen. Unicredit soll interessiert sein, und Crédit Agricole hat, im Gegensatz zu BNP Paribas, zumindest nicht von vornherein abgewunken.

Da schaut alles auf den Bund, mit 15,6% der größte Aktionär. Bislang hatte Berlin stets durchblicken lassen, man wolle mit einem Verkauf der Beteiligung an der Commerzbank keinen Verlust einfahren. Ob die neue Bundesregierung dies genauso eng sieht, darf vor dem Hintergrund einer neu entbrannten Debatte um den Verkauf staatlicher Beteiligungen aber bezweifelt werden. Den Fokus allein auf den Einstandspreis des Staates zu legen, ob dieser nun bei 26 Euro je Aktie oder, einschließlich Zinsen und anderer Zahlungen, eher bei 18 Euro liegt, steht jedenfalls eher Kleinanlegern gut zu Gesicht als einer Bundesregierung. Risikoadjustiert wird Berlin als Investor ohnedies hinten landen.

Schwerer wiegt, dass das für die Rettung des Instituts einst vorgebrachte Argument, Deutschland benötige neben der Deutschen Bank ein weiteres starkes, hierzulande verankertes Institut, mit einem Verkauf der Commerzbank dann obsolet sein wird. Anstelle von Pfennigfuchsern sind in Berlin nun Leute mit Weitblick gefragt. Die haben im besten Fall nicht nur Mut zu folgenschweren Entscheidungen, sondern auch industriepolitisch eine Strategie.

Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Bernd Neubacher

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