FT: Gefährliche Arroganz
Archivmeldung vom 20.06.2012
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDa hatte der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer recht: "Die Bundesregierung muss darauf achten, dass sie nicht pausenlos vom Bundesverfassungsgericht korrigiert wird", kommentierte er gestern den Richterspruch aus Karlsruhe genervt. Schon wieder hatten die Verfassungshüter Merkel und ihre Mannschaft gerügt: Dieses Mal, weil sie den Bundestag nicht ausreichend über die Verhandlungen zum Euro-Rettungsschirm ESM informierten.
Tatsächlich ignorieren Kanzlerin und Minister inzwischen offen, ohne erkennbares Unrechtsbewusstsein selbstverständliche demokratische Grundsätze. Wenn es um Europa-Politik gehe, sei es unpraktikabel jeden Verfahrensschritt mit dem Bundestag abzustimmen, argumentieren sie. Es müsse unbedingt vermieden werden, dass vertrauliche Verhandlungszwischenstände über hochsensible Materien in die Öffentlichkeit gelangten.
Diese Arroganz ist beinahe unerträglich. Danach weiß allein die Regierung, was gut für Deutschland ist. Das Volk darf daneben nur noch für milliardenschwere Rettungsversprechen gerade stehen. Entscheiden, ob es diese Verpflichtungen tatsächlich eingehen will, soll es auf demokratischem Wege lieber nicht. Ungerührt verweigerte die Bundesregierung den gewählten Volksvertretern jede Information über die ESM-Verträge. Die Klage der Grünen-Bundestagsfraktion, auf die das gestrige Urteil erging, war nur möglich, weil österreichische Kollegen den deutschen Volksvertreter mit notwendigen Informationen aushalfen.
Nun aber ist es gesagt: Der Bundestag hat ein Recht auf Mitsprache und muss frühzeitig informiert werden. Auch in Fragen der Euro-Rettung darf die Regierung "nicht eigenmächtig handeln". Das ändert am ESM-Vertrag wohl nichts mehr. Er soll noch in diesem Monat verabschiedet werden. Aber das Signal ist deutlich: Der Bundestag spielt bei der europäischen Integration eine zentrale Rolle. Wird das - wie bisher - missachtet, fehlt den auf EU-Ebene geschlossenen Verträgen die demokratische Legitimation. Es liegt an den Bürgern, ob sie sich das gefallen lassen wollen. Wer klagt, kann das gesamte EU-Vertragsgeflecht ins Wanken bringen.
Quelle: Flensburger Tageblatt (ots)