Rheinische Post: Kanzler-Popanz
Archivmeldung vom 05.10.2005
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDass ein aktiver Kanzler seiner Partei große Dienste erweisen kann, ist ein Gemeinplatz. Wie wertvoll aber ein Regierungschef als bloßes Faustpfand seiner Partei sein kann, zeigt sich gerade am Beispiel Gerhard Schröders der Kanzler-Popanz als Verhandlungsmasse für die große Koalition. Ob dieses Schauspiel das Ansehen der Politiker insgesamt verbessert, steht auf einem anderen Blatt.
Schröders Verzicht aufs Kanzleramt ist bisher nur ein Gedankenspiel
im Konjunktiv, das zu seiner persönlichen Ehrenrettung taugen soll.
Die SPD nutzt Schröder nach wie vor als Druckmittel, um den Preis in
Verhandlungen zur großen Koalition hoch zu treiben. Als
Brioni-Kanzler gestartet, als Melissen-Geist-Kanzler vollendet: Nie
war er so wertvoll wie heute.
Die durchschaubare Inszenierung ist für die Union tückisch. Je länger
sie dauert, desto mehr könnte sich der Eindruck erhärten, beide
Schröder und Merkel gehörten zur parteiübergreifenden
Pattex-Fraktion. Die SPD täuscht eine Symmetrie vor, die es natürlich
nicht gibt. Denn anders als Schröder kann sich Merkel auf das
Wahlergebnis berufen, wenn sie den Anspruch aufs Kanzleramt erhebt.
Um ihn dann auch durchzusetzen, ist allerdings zähe Beharrlichkeit
ein tauglicheres Mittel als aggressiver Druck.
Quelle: Pressemitteilung Rheinische Post