Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zum Thema Bundeswehr
Archivmeldung vom 10.08.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittHoppla, Herr Verteidigungsminister! Haben wir denn alles falsch verstanden? Nach dem schmählichen Freikauf der »Hansa Stavanger« soll wieder einmal die Rechtslage Schuld sein. Und alles nur, weil Deutschlands Hightech-Kriegern 35 Freibeuter in Badelatschen durch die Lappen gegangen sind?
Erinnern wir uns bitte an die Debatte zum Jahresbeginn, als die Bundesmarine mit neuem Mandat Richtung Somalia in See stach. Damals warnte niemand davor, dass nur Polizisten, aber nicht Soldaten Landsleuten in Geiselhaft beistehen könnten. Denn: Diese Darstellung ist eindeutig falsch. Auf hoher See in internationalen Gewässern ist für Militärs weit mehr möglich als beispielsweise im Inland. Ministerin Brigitte Zypries (SPD) hatte gestern jedenfalls leichtes Spiel, ihrem hessischen Kabinettskollegen mit dem anderen Parteibuch Lesehilfe in Sachen Rechtslage zu geben: »Natürlich darf die Bundeswehr im Rahmen der Operation Atalanta vor dem Horn von Afrika Geiseln aus der Hand von Piraten befreien.« Dazu müsse auch nicht das Grundgesetz geändert werden, stellte die Justizministerin quasi regierungsamtlich fest, um dann der Ohrfeige mit Argumenten aus Jungs eigenem Ressort noch eine richtige, taktische Beurteilung hinzuzufügen: Auch die Bundeswehr hätte im Fall »Hansa Stavanger« ihr Kommando Spezialkräfte, das der GSG9 in nichts nachsteht, erst einfliegen müssen. Zypries ersparte ihrem Kollegen weitere Peinlichkeiten und fragte auch nicht, mit welchen (fehlenden) Hubschraubern von welchem (noch von Frankreich anzumietenden) Trägerschiff aus das Ganze hätte ablaufen sollen. Nein, Minister Jung geht es um etwas anderes und die von ihm einmal mehr angerichtete Vermischung ist der Sache nicht dienlich. Jung und Wolfgang Schäuble (CDU) wollen seit langem die Bundeswehr im Inland einsetzen können. Das soll immer dann geschehen, wenn polizeiliche Mittel nicht mehr ausreichen. Das kann eine Elbeflut sein oder auch die ganz schnelle Anforderung von Experten, um Kampfgase zu analysieren. Auch im internationalen Einsatz wünschen sich die für Polizei und Militärs zuständigen Ressorts mehr freie Hand. Die Praxis enger Mandate und immer wieder neuer Parlamentsdebatten über den gleichen Einsatz sind in anderen großen westlichen Ländern gelinde gesagt unüblich. Fakt ist: In der Bundesrepublik sind SPD und FDP grundsätzlich und mit Sicherheit noch viele Jahre anderer Meinung als die Union. Damit muss sich Jung auseinandersetzen. Das ist der Konflikt, den er an der »Heimatfront« auszutragen hat. Deshalb gehört das Thema tatsächlich in den Wahlkampf und sollte dem Wähler entsprechend akzentuiert vorgetragen werden. Die Debatte muss nicht über den Umweg Ostafrika geführt werden. Jung hat gute Argumente, er braucht sich nicht zu verstecken.
Quelle: Westfalen-Blatt