Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema Schwarz-Gelb im Tief
Archivmeldung vom 07.08.2010
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 07.08.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAngela Merkel genießt zur Zeit ihren Urlaub in Sulden. Man muss der Bundeskanzlerin den Aufenthalt im malerischen Südtiroler Bergkurort gönnen, denn innen- und weltpolitisches Geschehen hatten es in den vergangenen Monaten wahrlich in sich. Zu den objektiv vorhandenen Problemen der internationalen Märkte in Folge der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise kamen die selbstgemachten Probleme in der schwarz-gelben Regierungskoalition in Berlin.
Seit dem Wahlsieg im September 2009 haben CDU, CSU und FDP kaum eine Gelegenheit ausgelassen, dem eigenen Ansehen zu schaden. Das hat so nachhaltig gewirkt, dass es der Regierung - gegen jede politische Erfahrung - momentan noch nicht einmal mehr etwas nutzt, dass die wirtschaftlichen Kennzahlen wieder überaus positiv sind. Während die einstmals so stolze FDP von satten 14,7 Prozentpunkten am Wahlabend mittlerweile bei allen Demoskopen an und unter die politische Überlebensgrenze von 5 Prozent gerutscht ist, hat die Union ihren klaren Vorsprung auf die Sozialdemokraten komplett eingebüßt. Die Gabriel-SPD ist ein Scheinriese, weil es nicht die eigenen Leistungen, sondern vor allem die haarsträubenden Fehlleistungen der Regierung sind, die ihr neue Sympathien zufliegen lassen. Noch stärker wirkt dieses Phänomen bei den Grünen, die so etwas wie die FDP des Jahres 2010 sind - eine Partei, in die immer mehr Bürger ihre letzte politische Hoffnung setzen. Auch wenn es in der Opposition keine Koalition geben kann, so ist doch erstaunlich, wie gut SPD und Grüne zuletzt harmoniert haben. Allerdings haben sie es auch leicht: Solange SPD und Grüne nichts machen, machen sie schon vieles richtig. Diese Regierung ist ihre eigene Opposition - auch in der Sommerpause. Betrachtet man das politische Geschehen dieser Woche, gibt es wenig Grund zur Annahme, dass sich das Bild bald grundlegend ändern könnte. Allein der pseudo-staatstragende Auftritt des 18-Minuten-Kanzlers Guido Westerwelle sprach Bände. Und was dessen FDP versäumt, erledigt die Seehofer-CSU. Lange vorbei sind die Zeiten, als die CDU sich an einer bayerischen Bastion aufbauen konnte. Im Gegenteil: Weil es im Freistaat nicht läuft und die CSU weiter denn je vom eigenen Anspruch der absoluten Mehrheit entfernt ist, holzen Seehofer, sein »General« Alexander Dobrindt und der Gesundheitsminister Markus Söder in Berlin nach Leibeskräften. Dabei hätte das Trio allen Grund, vor der eigenen Tür zu kehren, wie der handfeste Krach um geheime Wahlstudien und Angriffspläne auf den eigenen Koalitionspartner belegt. Wer es gut mit Angela Merkel meint, hätte ihr wünschen müssen, dass es in Sulden keine Fernseher gibt. Da es anders ist, kann man ahnen, dass es um die Erholung der Kanzlerin schon wieder geschehen sein dürfte.
Quelle: Westfalen-Blatt