Westdeutsche Zeitung: Große Koalition
Archivmeldung vom 22.08.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittLassen wir uns nichts vormachen: Die Betriebsamkeit, die die Große Koalition nach dem Ende der Sommerpause an den Tag legt, ist nur vorgetäuscht. Die zweitägige Klausur im brandenburgischen Schloss Meseberg soll der Öffentlichkeit vorgaukeln, dass die Regierung nach dem allseits beklagten Stillstand endlich eine Reihe von Themen anpackt.
Das Problem ist nur: Die
Relevanz dieser Themen ist äußerst begrenzt. Und selbst bei diesen
finden Union und SPD nur noch Formelkompromisse.
Beim Mindestlohn gesteht die Union der SPD eine Regelung für die
Postbranche zu - und lässt ihr mit dieser Beschränkung zugleich einen
Wahlkampfschlager. Die Vorschläge zur Beteiligung der Mitarbeiter am
Unternehmenskapital greift das Gefühl vieler Arbeitnehmer auf, der
Aufschwung ziehe an ihnen vorbei. Diese Symbolpolitik wird allerdings
keine nennenswerte Wirkung entfalten. Steuervergünstigungen sind
geduldig, wenn kaum jemand von ihnen Gebrauch machen wird. Die
Vorhaben zum Klimaschutz befördern das Image der Kanzlerin - solange
bewusst unklar bleibt, welchen Preis wir für die Begrenzung der
Erderwärmung eigentlich zahlen müssten. Der Bau des Münchner
Transrapid-Projekts schließlich ist ein Geschenk an den scheidenden
CSU-Chef Stoiber und der Beleg dafür, wie sorglos die Regierung schon
wieder mit dem Geld umgeht, sobald die Konjunktur angesprungen ist.
Spannender ist der Katalog der ausgeblendeten Themen: Die heiß
diskutierten Vorschläge zur inneren Sicherheit werden vertagt, weil
eine Einigung nicht möglich ist. Vergessen scheint das Versprechen
der Regierung, die Lohnnebenkosten zu senken. Vielleicht sollten die
Partner noch einmal einen Blick in ihren Koalitionsvertrag werfen.
Nur halbherzig verfolgt das Kabinett Merkel das Ziel des
Schuldenabbaus. Die sprudelnden Steuereinnahmen gäben ihr die
Gelegenheit, hier endlich eine Zeitenwende einzuläuten.
Mit Blick auf die Landtagswahlen zu Beginn des kommenden Jahres
trauen sich die vermeintlich Großen nur noch Kleingedrucktes zu. Die
Angst vor der Linkspartei bestimmt dabei ihr Handeln. Populisten aber
entlarvt man nicht, indem man krampfhaft versucht, ihnen keine
Angriffsfläche mehr zu bieten.
Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Zeitung