Neue Westfälische (Bielefeld): Telefonüberwachung
Archivmeldung vom 08.12.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittUrteilsschelte ist verpönt in deutschen Landen. Sie sei dennoch gewagt, zumal das Bundesverfassungsgericht sie in seiner einschlägigen Rechtsprechung immer geschützt hat. Zur Kritik Anlass gibt diesmal das Bundesverfassungsgericht selbst mit seiner Entscheidung, den Schutz vor staatlicher Überwachung für Ärzte und Journalisten geringer zu bewerten als für Abgeordnete und Seelsorger. Gespräche mit Seelsorgern oder Verteidigern fielen unter das absolute Beweiserhebungsgebot, weil sie sich auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen könnten.
Abgeordneten werde der Schutz vor dem Abhören wegen der Institution des Parlaments gewährt. Bei Journalisten dürfe der Gesetzgeber das Zeugnisverweigerungsrecht dagegen vom Einzelfall abhängig machen. Ein Freibrief für die Behörden, denen Journalisten auf die Finger schauen. Nicht aus purer Lust und Laune, sondern weil die sogenannte vierte Gewalt im Staate unerfreulich häufig zur letzten Instanz der Aufklärung geworden ist. Zumal die Liste der Schwerverbrecher, von Mördern, Kriegsverbrechern oder Kinderschändern, die telefonischen Kontakt zu Journalisten haben, ebenso kurz sein dürfte wie die von Beichtvätern. Größer jedenfalls ist die Befürchtung, dass die Überwachung von Redaktionstelefonen genutzt werden könnte zur Gewinnung anderer Erkenntnisse, an die Ermittlungsbehörden nur auf diesem Wege gelangen können. Diese müssten sie zwar von ihren Datenträgern löschen. In den Köpfen bleiben sie aber dennoch. Allein deshalb reagieren Journalisten besonders sensibel auf Freibriefe für ihre Überwachung.
Quelle: Neue Westfälische (Bielefeld) (ots)