Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Fleischpreisen
Archivmeldung vom 19.09.2007
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 19.09.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittIst der Schweinepreis niedrig, verliert der Bauer den Spaß an der Arbeit. Er wird, soweit er es vermag, die Zahl der Schweine in seinem Stall reduzieren. Als Folge wird das Fleisch bald weniger. Die im Wettbewerb stehenden Einzelhändler fürchten, ihren Kunden den Sonntagsbraten vorenthalten zu müssen. Undenkbar!
So
zahlen sie lieber den Erzeugern mehr Geld - bis dem Kunden die hohen
Fleischpreise zu viel werden und sie ihren Konsum reduzieren.
So geht es. So kennt man es. Und trotzdem läuft es diesmal anders.
Die Preiserhöhungen im Lebensmittelhandel haben mit dem
traditionellen »Schweinezyklus« wenig gemein. Angebot und Nachfrage
sind als Preisregulatoren in die zweite Reihe getreten. Die Musik
spielt jetzt andernorts - hauptsächlich auf dem Energiesektor und in
Fernost.
Für den Landwirt ist es heute interessanter, in eine Biogas-Anlage zu
investieren oder Biosprit herzustellen als mit den Einkäufern von
Aldi, Lidl, Penny, Plus & Co. über Zehntel Cents zu streiten. Die
Voraussetzung für den Übergang vom Land- zum Energiewirt hat der
Gesetzgeber aus guten Gründen geschaffen. Zum einen gelang es so, die
jahrzehntelange Talfahrt bei den Agrareinkommen zu stoppen. Zum
anderen entlastet Bioenergie die Atmosphäre und schützt damit das
Klima. Und nicht zuletzt setzt sich die Erkenntnis durch, dass alle
fossilen Energiequellen begrenzt sind - umso begrenzter, je größer
der Energiehunger Asiens.
Dabei haben die vergangenen Wochen und Monate gezeigt: Es sind nicht
nur Energie, Stahl und andere Rohstoffe, wonach China und Indien
hungern. Es sind auch nicht nur Autos und Möbel. Verlangt werden
ebenso gute Lebensmittel. Diese aber werden nun mal, allen
Gammelfleisch- und anderen Skandalen zum Trotz, in Mitteleuropa
hergestellt. Für manche Molkerei ist es schlicht attraktiver, Milch
oder Milchpulver weitab von der Kuh in Fernost zu verkaufen als an
den Händler vor Ort. Das Gleiche gilt zunehmend auch für Fleisch.
Sicher muss bei der Rechnung auch berücksichtigt werden, dass der
Landwirt heute mit anderen Kosten kalkulieren muss als noch vor zwei
oder fünf Jahren. Futter und Energie sind viel teurer geworden,
ebenso Maschinen - wegen der höheren Stahlpreise.
Von keiner der beschriebenen Entwicklungen ist anzunehmen, dass sie
sich bald ins Gegenteil verkehren. Wohl stiege die Menge, wenn die
Milchquote wegfiele. Der Preis aber ginge nur zurück, wenn die
Überproduktion wieder so groß würde, dass Bauern gezwungen wären, mit
Verlust zu verkaufen.
Wollen wir das? Besser wäre es, wenn die Lebensmittel nicht nur
teurer, sondern uns auch lieber würden. Von einem Euro, den wir
ausgeben, fließen nur elf Cent in die Nahrung. Selbst wenn sich alle
Preise verdoppelten, wären es erst 22 Cent.
Man soll die Bedeutung der Lebensmittelpreise fürs Familienbudget
nicht herunterschrauben. Für die wirklich Armen sind sie ein Problem.
Für die anderen sind sie auch eine Chance. Wie groß wäre der Verlust
an Lebensqualität, wenn nicht jeden Tag Fleisch auf den Tisch kommt?
Quelle: Pressemitteilung Westfalen-Blatt