WAZ: Kommentar zu: Schäuble spielt mit dem Feuer:
Archivmeldung vom 02.01.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittBundesinnenminister Schäuble spielt mit dem Feuer. Sein Beharren auf Nutzung von Geständnissen, die unter Folter erzwungen wurden, ist mit dem Rechtsstaatsprinzip unseres Gemeinwesens unvereinbar. Auch überzieht der messerscharfe Analytiker mit der Kritik, wer seine Position nicht teile, nehme die Verantwortung für die Sicherheit in der Bundesrepublik nicht wahr.
Natürlich kann Deutschland auf einen Datenaustausch mit anderen
Geheimdiensten nicht verzichten. Wer so etwas fordert, der hat in der
Tat kein Verantwortungsgefühl. Sollte ein konkreter Bedrohungshinweis
eingehen, dann wäre es weltfremd zu glauben, zunächst werde nach dem
Zustandekommen dieser Informationen recherchiert.
Allerdings darf eine Regierung nicht von vornherein und öffentlich
die eigenen Sicherheitsexperten von der zwingenden Beachtung
rechtsstaatlicher Normen befreien. Wer dies tut, der öffnet
vorauseilend Tür und Tor der Folter.
Es darf keine Aussagen von
Regierungsmitgliedern geben, die die Fundamente des Rechtsstaats
aufweichen.
Eine Demokratie ohne den absoluten Schutz der Würde des Menschen
ist keine Demokratie mehr. Auch in Zeiten terroristischer Bedrohung
dürfen solchen Grundprinzipien nicht aufgegeben werden. Da gibt es
weder Spielraum, noch irgendwelche Möglichkeiten für den Gesetzgeber.
Abweichungen von rechtsstaatlichen Minimalgarantieen sind selbst bei
größter Bedrohung unmöglich. Wer das nicht akzeptiert, der stellt
unseren Staat in Frage.
Denn das Folterverbot ist tatsächlich, wie die Grünen-
Fraktionsvorsitzende Künast kürzlich sagte, konstituierend für die
Demokratie. In Europa sind mit den Jahren Menschenrechtsstandards
erarbeitet worden, die nicht unterlaufen werden dürfen, selbst wenn
die USA der Meinung sind, andere Maßstäbe anlegen zu können oder zu
müssen.
Die FDP liegt richtig, wenn sie nun eine Grundsatzdebatte über die
Verwendung von Foltergeständnissen im Bundestag fordert. Das
Parlament muss deutlich machen, dass nicht alles, was von
Sicherheitsbehörden befürwortet wird, rechtlich erlaubt ist. Denn was
hieße konkret, Folter in besonderen Fällen geflissentlich hinzunehmen
oder gar grundsätzlich zu akzeptieren? Wie will man definieren, was
ein Beamter lassen muss oder tun darf, um eine brisante Information
herauszupressen? Hier ein bisschen Schlafentzug, dort – weil Eile
geboten ist – etwa Elektroschocks?
Mehr Sicherheit gewinnt man auf diese Weise nicht. Wer tatsächlich
glaubt, solche absurden Regelungsvorstellungen ansatzweise
rechtsstaatlich definieren zu können, der irrt und ist auf dem besten
Wege ins Mittelalter, wo uns beispielsweise islamische Terroristen
ohnehin gerne hinbomben würden.
Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Allgemeine Zeitung