Neue Westfälische (Bielefeld): Der deutsche Auftritt bei der Fußball-WM
Archivmeldung vom 10.07.2010
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 10.07.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Gast hier in Südafrika staunt. Über ein deutsches Team, das es weiter gebracht hat als nur ins WM-Halbfinale. Das mehr geleistet hat als so genannten schönen Fußball zu spielen. Das mehr geschafft hat als 13 Tore zu schießen in sechs Spielen. Es hat Sympathien in die Welt getragen. Mindestens so viele wie 2006. Offensichtlich ist die Zuwendung der Menschen 9.000 Kilometer südlich der Heimat. Über patriotische, politische und religiöse Grenzen hinweg.
Die Hindus in Durban, der Stadt mit der zweitgrößten indischen Gemeinde der Welt, bewundern und feiern die deutsche Mannschaft, bemalen ihre Gesichter schwarz-rot-gold. Die - wenigen - Muslime kennen nun Müller, Podolski und den unaussprechlichen Schweinsteiger. Und haben vier Wochen lang deutsche Fahnen geschwenkt. Die alten, sportlichen Rivalen sind vom Glauben abgefallen. Engländer, Argentinier, Franzosen, selbst Niederländer sprechen von der deutschen Mannschaft mit Hochachtung. Die durch das Aus gegen Spanien nicht geschmälert wurde. Weil die Hochachtung nicht nur der sportlichen Leistung gilt. Vielmehr der Jugend, dem Mut, der Kreativität und besonders der integrativen Kraft, die Joachim Löw entfesselt hat. Seine Sympathiewerte liegen im Bereich der Einschaltquoten in der Heimat. Mehr als 90 Prozent. Dabei hat er seit langem schon alle Grenzen gesprengt, den menschlichen Respekt voreinander vorgelebt. Nur hatte es bisher in der Welt kaum jemand wahrgenommen. Erst jetzt stolpert die Welt über Namen wie Khedira, Özil, Gomez, Boateng, Trochowski - und Dennis Aogo hat noch nicht gespielt. Sie alle müssen die Nationalhymne unter Löw nicht mitsingen. Er respektiert die Wurzeln, die Meinung, das Gefühl der Spieler. Er hat seit acht Wochen tägliche Integrationsgipfel abgehalten. Ihre Identifikation mit Deutschland, das neue Deutschland, an dem sie mitbauen, zeigen die Spieler auf dem Fußballplatz. Als Team ohne Stars. Auch wenn der unaussprechliche Schweinsteiger besondere Bewunderung genießt: Dort ist etwas unterwegs, das Gemeinschaft heißt. Sportlich zeigt sich das an der Zahl der gelaufenen Kilometer, den gewonnen Zweikämpfen. Abseits des Platzes an der Bescheidenheit, die nur beim Formulieren des gemeinsamen, inzwischen verfehlten sportlichen Zieles weicht. Auch vor dem Spiel um Platz drei gegen Uruguay. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den Schwung der Mannschaft und die Begeisterung in Deutschland für ihre Zwecke zu nutzen versucht. Es blieb beim Versuch. Denn jeder konnte sehen, dass in der und um die Mannschaft kein Platz für Trittbrettfahrer ist. Sie würde Größe beweisen, käme sie auch an diesem Samstag zum Team. Sie würde den Spielern ihren Respekt erweisen. In Deutschland soll es sehr heiß sein, träge war und ist die Republik deswegen nicht. Dem sportlichen Sommer folgt der meteorologische. Bald geht es für viele von uns in den Urlaub. Nehmen wir unser Gefühl, unsere Freude und unseren Respekt mit ins Ausland. Es wird funktionieren. Inzwischen überall auf der Welt. Selbst wenn Sie Schweinsteiger heißen sollten.
Quelle: Neue Westfälische