Börsen-Zeitung: Auf der Suche nach Impulsen
Archivmeldung vom 16.01.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittÜberraschend aufregend ist die Handelswoche am asiatischen Devisenmarkt zu Ende gegangen. Dort wurde von einigen Akteuren allen Ernstes das Gerücht herumgereicht, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel ihren Rücktritt vorbereitet. Der Euro fiel daraufhin recht deutlich um mehr als 1 Cent unter 1,44 Dollar.
Was hierzulande im Devisenhandel lediglich ungläubige Blicke und Schulterzucken hervorrief, veranlasste einen Sprecher der Bundesregierung am Freitag schon in aller Frühe dazu, diese Spekulationen als "absolut frei erfunden" bloßzustellen. Der Euro pendelte derweil weiterhin um 1,44 Dollar, weil sich Investoren in Europa um die Finanzlage Griechenlands sorgten.
An Europas Aktienmärkten blieben in der abgelaufenen Handelswoche Hiobsbotschaften - seien sie nun wahr oder doch nur frei erfunden - aus. Der gerne als Angstbarometer bezeichnete Volatilitätsindex VDax rutschte deshalb auf den tiefsten Stand seit 20 Monaten. Die Entwicklung belegt, dass die Anleger die Perspektiven für Aktieninvestments auf Sicht der kommenden Wochen überwiegend optimistisch beurteilen. Diejenigen, die bereits investiert sind und hohe Buchgewinne erzielt haben, wollen deshalb nicht verkaufen. Und diejenigen, die noch nicht ausreichend investiert sind, wollen ganz offenbar weitere positive Nachrichten von Unternehmens- und Konjunkturseite abwarten, ehe sie sich engagieren. Vor diesem Hintergrund scheint es gut verständlich, dass die Aktienkurse europäischer Konzerne aus dem Chipsektor am Freitag recht verhaltend tendierten, obwohl der amerikanische Branchenführer Intel am Vortag unerwartet gute Quartalszahlen veröffentlicht hatte.
Durch Banken verunsichert
Womöglich werden sich die Anleger in einigen Wochen über ihre Zurückhaltung freuen, nämlich dann, wenn die Berichtssaison entgegen den Erwartungen schwach verlaufen ist. Nach dem enttäuschenden Auftakt durch den US-Industriekonzern Alcoa und einer Gewinnwarnung der Société Générale streute vor dem Wochenende die Bilanz von J.P. Morgan Chase jedenfalls weitere Zweifel. Deren Gewinn kletterte im abgelaufenen Quartal zwar auf 3,3 Mrd. Dollar und lag damit oberhalb der Prognosen, Anleger sorgten sich aber trotzdem um die Aussichten für den Bankensektor, weil sich die Großbank gegen den Ausfall von Immobilienkrediten mit einer auf 4,2 Mrd. Dollar erhöhten Rückstellung wappnete. Vor einem Jahr lag die Summe bei gerade mal 653 Mill. Dollar. Marktteilnehmer blicken deshalb der neuen Handelswoche, in der Citigroup, Bank of America, Morgan Stanley und Goldman Sachs Quartalsberichte präsentieren, mit verständlicher Skepsis entgegen.
Insgesamt legen in der neuen Woche rund 70 Unternehmen aus dem S&P500 Geschäftszahlen vor. Die meisten Analysten halten allerdings an der Überzeugung fest, dass die Zahlen für das Schlussquartal - wie bereits in den zurückliegenden beiden Quartalen - in der Mehrzahl positiv überraschen dürften. Dabei räumen sie vor allem US-Unternehmen Potenzial ein, und zwar nicht zuletzt wegen der Währungsentwicklung: Der Dollar notiert gegenüber dem Euro im Moment etwa 12% tiefer als vor Jahresfrist. Hinzu kommen Basiseffekte, da das Schlussquartal 2008 sehr schwache Zahlen geliefert hatte.
Der Ausblick entscheidet
Aus Investorensicht bekommt daher der Ausblick der Unternehmen eine höhere Bedeutung, und hier lässt sich weiterhin nicht viel Gutes erahnen. Viele Vorstandschefs dürften wegen der weiterhin angespannten wirtschaftlichen Lage erneut auf eine konkrete Prognose verzichten. Und diejenigen Konzerne, die einen Ausblick geben, dürften belegen, dass maximal mit einer moderaten Belebung der Nachfrage zu rechnen ist. Für den Aktienmarkt verspricht beides keine neuen Impulse.
In Europa sehen die Perspektiven kaum besser aus. Die Erwartungen an Unternehmen aus defensiven Sektoren liegen in der Nähe der Höchststände der zurückliegenden Monate. Lediglich in zyklischen Sektoren und im Finanzsektor wurden die Schätzungen bereits revidiert. Allerdings trifft dies nicht auf die Sektoren in der Breite zu, sodass positiv wie negativ Überraschungspotenzial besteht. Dies deutet zumindest darauf hin, dass der Handel auch an Europas Aktienmärkten schon bald wieder spannender wird.
Quelle: Börsen-Zeitung