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Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Libyen

Archivmeldung vom 22.03.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 22.03.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Also kein Afrika-Korps. Die Deutschen schauen zu, wie Briten, Franzosen, Dänen, Norweger, Italiener, Spanier, US-Amerikaner und vielleicht noch ein paar andere Nationen Libyens Diktator Gaddafi in die Schranken weisen. Aber die Begründung des deutschen Außenministers Guido Westerwelle ist bei aller Aufregung und Sorge vor einer Isolierung in Europa nachvollziehbar. Menschenrechte sind unteilbar.

Wer »L« sagt wie Libyen, muss auch »E« sagen wie Elfenbeinküste oder »S« wie Sudan. Wo ist die Grenze zwischen Interventionspflicht und Zurückhaltung? Auch stellt sich die Frage, warum man im ölreichen Libyen eingreift und im ölarmen Weißrussland nicht. Also ist es konsequenter, überhaupt nicht zu intervenieren. Aber kann man einem Massaker zuschauen? Im ölarmen Ruanda konnte man es vor anderthalb Jahrzehnten und zwar in einem Ausmaß, wie es in Bengasi gar nicht möglich gewesen wäre. Vielleicht hat sich Paris auch deswegen zur Intervention entschlossen, um einem erneuten Vorwurf vorzubeugen, man trage das Banner der Menschenrechte immer ganz hoch, tue aber nichts für die Einhaltung oder Rettung derselben. Auch innenpolitische Gründe spielen eine Rolle. Die Bilder der Kampfjets überlagern die Zahlenkolonnen der Kantonalwahlen, die für Präsident Nicolas Sarkozy eher peinlich ausgegangen sind. Da stellt man sich doch lieber mit geschwellter Brust und ernstem Gesicht vor die Kameras und gibt den nachdenklichen Feldherrn. Umgekehrt in Deutschland: Da stellt man sich ebenso nachdenklich vor die Mikrofone und weiß, dass man zu einer verunsicherten, ängstlichen Nation spricht, in der Jodtabletten und Geigerzähler ausverkauft sind und die Heldentaten in Demonstrationsmärschen vor stillgelegten Kernkraftwerken bestehen. Beide Motivationsstränge sind verständlich und nachvollziehbar. Westerwelle kann für sich außerdem ins Feld führen, dass man solche Aktionen auch immer vom Ende her bedenken sollte. »Respice finem« nannten das die Klassiker. Ein Ende könnte so aussehen: Das UN-Mandat berechtigt nicht zum dauerhaften Einsatz von Bodentruppen, mithin zu Sturz und Vertreibung des Gaddafi-Regimes. Es wirkt eher wie ein Veto: Das Schlimmste wird zwar verhindert, das Problem aber nicht gelöst. De facto schafft die Intervention der internationalen Koalition ein Patt zwischen Aufständischen und Regime. Das führt letztlich zur Teilung des Landes und die Frontlinie wird entlang der Siedlungsräume der feindlichen Stämme und mitten durch die Ölfördergebiete laufen. So können, wenn die Gemüter sich beruhigt und die Fronten verhärtet haben, die Franzosen dann von Bengasi billiges Öl bekommen und die Deutschen von Tripolis. Das ist vermutlich nicht geplant, aber so könnte es laufen - zum Nutzen und Frommen Europas.

Quelle: Westfalen-Blatt

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