Lausitzer Rundschau: Becks Herausforderung
Archivmeldung vom 23.05.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAn Horst Köhlers Äußerungen kann ein Sozialdemokrat eigentlich nichts auszusetzen haben. Für größere Anstrengungen in Bildung, Integration und Entwicklungshilfe, gegen das Monster Finanzmärkte. Geärgert hat er allenfalls die Kanzlerin, wenn er die Qualität von Gesetzen bemängelte.
Das Neoliberale, das ihm nachhängt, ist stark zurückgegangen. Was also spricht aus SPD-Sicht dagegen, diesen Bundespräsidenten für eine zweite Amtszeit zu wählen, zumal seine Popularität im Volk enorm ist? Nichts, und Kurt Beck wird das zu spüren bekommen. Der SPD-Vorsitzende wird sich nach Köhlers gestriger Entscheidung für eine erneute Kandidatur einem enormen Druck ausgesetzt sehen, diesem Präsidenten am 23. Mai 2009 in der Bundesversammlung eine weitere Amtszeit zu geben, zusammen mit Union und FDP. Und anders lautende Debatten schnell zu beenden. Formal gesehen hat Beck freie Hand. Schwarz-Gelb hat derzeit in der Bundesversammlung nur eine hauchdünne Mehrheit und nach der Bayern-Wahl wahrscheinlich auch die nicht mehr. Damit lässt sich pokern. Der Punkt ist nur: Beck hat für die von der Parteilinken favorisierte Kandidatin Gesine Schwan auch keine Mehrheit. Er hat zum Pokern keine Karten. Gewählt werden könnte Schwan nur in einem Bündnis aus SPD, Grünen und Linkspartei. Mehrheit ist Mehrheit, so ist das Denken der SPD-Linken, dem Beck einstweilen Raum gegeben hat. Und auch, dass jetzt eine Frau ran müsse. Und ein bisschen noch, dass man sich neue Optionen, eben die mit der Linkspartei, nicht von vornherein verbieten lasse. Vielleicht will man auch nur die Union oder die FDP nötigen, nach einem dritten Bewerber Ausschau zu halten. Will also zeigen, dass man stark ist. Das ist Denken aus der Abteilung politische Naivität. Beck läuft mit einer eigenen Kandidatin Gefahr, sein zweites Hessen zu erleben. Schon dann, wenn die Grünen, die hier einfach mal als Stimmvieh mit vereinnahmt werden, nicht mitmachen. Und spätestens, wenn es Genossen aus den eigenen Reihen gibt, die dem Linksbündnis die Stimme verweigern, weil sie einen solchen Kurs falsch finden. So wie Dagmar Metzger im hessischen Landtag. Es wird viele Metzgers unter den SPD-Mitgliedern in der Bundesversammlung geben. Der Präsident hat mit seiner gestrigen Erklärung die handwerkliche Kunst des SPD-Vorsitzenden herausgefordert. Aber nur das kleine Einmaleins der politischen Strategie.
Quelle: Lausitzer Rundschau