Börsen-Zeitung: Kagermanns Bilanz
Archivmeldung vom 29.01.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Anleger haben den scheidenden SAP-Konzernchef Henning Kagermann mit Applaus verabschiedet. Der Kurssprung von fast 7% honoriert dabei nicht nur die entschlossenen Sparmaßnahmen, mit denen SAP auf den relativ plötzlichen Geschäftseinbruch im vierten Quartal reagiert hat, und die das operative Gewinnziel für 2008 gerettet haben.
Er ist auch ein Vertrauensvotum, das signalisiert, dass die Investoren glauben, das SAP in der Krise Stärke zeigt.
Die erstaunliche Ertragskraft des Softwareriesen - einem geradezu desaströsen Schlussquartal zum Trotz, das immerhin in manchen Jahren für die Hälfte des Gewinns stand - kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass SAP damit vor allem defensive Stärke zeigt. Denn die Investoren werden mit einer Rotstift-Story bei Laune gehalten. Kostensenkung durch Stellenabbau, lautet die Botschaft, an die das Gewinnziel geknüpft ist.
Die gewohnte Umsatzprognose bleibt aus. Für ein Wachstumsunternehmen mit dem höchsten Kurs-Gewinn-Verhältnis unter den großen Wettbewerbern und ganz vorn im Dax wäre das in normalen Zeiten wohl eine geradezu verheerende Botschaft. Aber was ist dieser Tage schon normal? Mit dem erstmaligen Stellenabbau in der Geschichte des Unternehmens befindet sich SAP in illustrer Gesellschaft. Die Konkurrenten Microsoft und Oracle ziehen das gleiche Register, um ihre Ertragskraft zu sichern.
Ungeachtet des nötigen Krisenmanagements übernimmt der neue Konzernchef Léo Apotheker von Kagermann ein wohl bestelltes Haus. Die Produktpalette wurde in den vergangenen Jahren sukzessive erweitert, und das Unternehmen hat sich mit dem Mittelstand eine komplett neue Klientel erschlossen. Damit sind die Weichen für weiteres Wachstum gestellt.
Vor allem die anfangs als strategische Kehrtwende vielfach gescholtene milliardenschwere Akquisition von Business Objects beginnt, sich auszuzahlen. SAP hat eine der größten Übernahmen in der Softwareindustrie überhaupt binnen eines Jahres nahezu verdaut. Zum Produktwachstum des vergangenen Jahres hat Business Objects zu zwei Dritteln beigetragen.
Eine Baustelle hinterlässt Kagermann. Für das mit viel Aufwand entwickelte neue Produkt Business by Design fehlt ein tragfähiges Geschäftsmodell. Da muss Apotheker jetzt für den Durchbruch sorgen.
Quelle: Börsen-Zeitung (von Heidi Rohde)