WAZ: Mata Hari als E-Mail
Archivmeldung vom 27.12.2010
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 27.12.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittMata Hari von 1917 ist heute eine E-Mail. Die Umgarnung gegnerischer Geheimnisträger mit den Waffen der Geschlechter wird durch einen Anhang ersetzt, der sich zum Öffnen anbietet. Wer einst dem Flirt erlag, hat jetzt einen Virus im Rechner, der Geheimdaten ausspäht und an den Absender übermittelt.
Die Spionage des 21. Jahrhunderts zeigt sich unromantisch, obwohl sie auf die gleiche menschliche Schwäche setzt: Dummheit. Gefährdet werden nicht nur Staatsgeheimnisse. In der globalisierten Welt sind mehr noch Wirtschaftsstrategien interessant - vor allem für ehrgeizige Nationen wie China. Aber E-Spionage kann durch Vorbeugung abgewehrt werden.
Ungleich gefährlicher sind Versuche, Daseinsvorsorge und Infrastruktur konkurrierender oder "gegnerischer" Staaten zu sabotieren. Auch das geht auf elektronischem Weg. Moderne Gesellschaften wie menschliche Existenzen hängen davon ab, ob computergesteuerte Stromnetze Spannung haben, ob Wasser verfügbar ist, ob die Transportwege funktionieren. Keine Volkswirtschaft arbeitet ohne diese Grundlagen, keine Klinik kann auf solche Versorgung verzichten, um Leben zu retten.
Sie am Computer zu unterminieren - das ist nicht nur viel billiger als Panzer zu schicken. Es ist im Zweifel effektiver. Ob wir es "Cyber-Krieg" nennen oder nicht: Die Wirkung ist dieselbe.
Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung