Lausitzer Rundschau: Zur Halbzeitbilanz von Schwarz-Rot in Berlin
Archivmeldung vom 22.11.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Regierungserklärung, die Angela Merkel vor zwei Jahren abgab, war voller guter Vorsätze. Sie gipfelte in dem Ausruf "Koalition der neuen Möglichkeiten". Heute, genau zur Halbzeit, muss man bilanzieren, dass die Möglichkeiten nicht genutzt wurden und Neues nicht in Sicht ist. Das Fazit ist: Union und SPD bleiben sich belauernde Schwergewichte. Sie können nur taktisch miteinander auskommen, aber das Land nicht entscheidend voranbringen.
Man muss gönnen können in jeder Koalition, in einer großen zumal.
Angela Merkel hat selten gegönnt. Ihr Führungsverhalten war
vielleicht geschickt, aber nicht weise. Nicht als sie dem
Außenminister einen Fototermin nach dem anderen wegnahm, nicht als
sie bei der Gesundheitsreform ihre Zusage einer stärkeren
Steuerfinanzierung auf Druck der Unions-Ministerpräsidenten wieder
zurückzog, nicht, als sie sich beim Mindestlohn zu einer
Hinhaltetaktik entschloss.
Die SPD, im Dauertief, gönnt der Kanzlerin nun ihrerseits das
Siegertreppchen nicht mehr. Und schon wird aus dem Belauern ein
früher Dauerwahlkampf, mit Sticheleien und hochgradig nervösen
Reaktionen.
Diese Große Koalition hat von der Substanz gelebt, von den Reformen
der Vorgängerregierung und vom Aufschwung, der Geld in die Kassen
spülte. Sie hat keine gravierenden Fehler gemacht, immerhin. Aber, wo
ist Deutschland wirklich strukturell besser aufgestellt als vor zwei
Jahren? In der Bildung? Sie bleibt Sache der Ländereitelkeiten -
außer bei der Kleinkindbetreuung, wo Ursula von der Leyen Mut gezeigt
hat. Bei den Finanzen? Gefüllte Kassen, aber leere Geldbeutel der
Konsumenten. In der Sozialpolitik? Der Aufschwung kommt längst nicht
bei allen an. Die Zahl der prekären Arbeitsverhältnisse nimmt zu. Und
Pflege- wie Krankenversicherung sind nicht zukunftsfester geworden.
In der Klimapolitik? Ja, hier gibt es Fortschritt, aber nicht so
schnell, wie er bei mehr Entschlossenheit sein könnte.
Eine Nation mit Optimismus und Risikobereitschaft ist Deutschland in
den zwei Jahren nicht geworden. Weil auch die Regierung diese
Eigenschaften nicht ausstrahlte. Die Hoffnungen, die die Bevölkerung
anfangs in die Große Koalition gesetzt hatte, sind zerstoben. Das
"Wer hatte das gedacht", mit dem Merkel sich und ihr Kabinett vor
zwei Jahren im Bundestag selbst bestaunte, ist einem enttäuschten
"Wer hat wirklich daran geglaubt" gewichen. Und wird nach vier
Jahren, wenn es so weitergeht, "Nicht noch einmal" heißen.
Quelle: Pressemitteilung Lausitzer Rundschau