WAZ: VW baut Geländewagen nicht im Ausland:
Archivmeldung vom 28.09.2005
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWird „Marrakesch” zum Symbol für die Zukunft von Wolfsburg? Folgt man den zum Teil euphorischen Kommentaren aus Politik und Autoindustrie, dann war der Dienstag ein großer Tag für die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Deutschland. Es habe sich gezeigt, dass industrielle Produktion hier zu Lande langfristig möglich sei. Festgemacht werden diese großen Worte an einem kleinen VW- Geländewagen.
Das Gefährt, das vielleicht „Marrakesch” heißen
wird, soll nun – entgegen der Drohung der VW-Spitze – doch nicht in
Portugal, sondern am VW-Stammsitz gebaut werden.
Das sichere 1000 Arbeitsplätze, jubelt die Gewerkschaft. Und der
Autokonzern versichert, dass er den Wagen nun auch in Deutschland zu
international wettbewerbsfähigen Kosten bauen könne. Nach einem
harten Verhandlungspoker gibt es also nur Gewinner? Das ist
verdächtig.
Bei genauerem Hinsehen wird denn auch deutlich: Die Gewerkschaften
haben Federn gelassen, haben niedrigerer Entlohnung bei längerer
Arbeitszeit zugestimmt. Aber was sollten sie auch tun. Sich stur
stellen und die Arbeitsplätze ziehen lassen?
Wenn jetzt 1000 junge
Leute für einige Jahre durch die Geländewagen-Produktion einen
sicheren Arbeitsplatz bekommen, ist das eine gute Sache – aber nur
eine Seite der Medaille.
Andererseits ist nämlich zu befürchten, dass VW nach diesem
Ergebnis auch künftig in einer Art Salami-Taktik bei jedem neu-en
Modell die Arbeitnehmer vor die gleiche Entscheidung stellt:
Zugeständnisse beim Einkommen oder Verlagerung ins Ausland.
Ein Ausweg aus diesem Dilemma ist – wenn überhaupt – wohl nur
schwer zu finden. Denn die Zukunftsfähigkeit des Standortes
Deutschland lässt sich nicht nur an möglichst geringen
Produktionskosten festmachen. Die Produkte müssen auch verkauft
werden – und das nicht nur im Ausland. Gerade in Deutschland, wo die
Binnennachfrage extrem lahmt, sind weiter sinkende Einkommen auch
eine Wachstumsbremse. Deshalb ist es eine kurzfristige und eingeengte
Sichtweise, wenn sich Politiker wünschen, dass der Kompromiss bei VW
jetzt in Deutschland Schule machen möge.
Wer hofft, unsere Probleme mit der Globalisierung durch solche
Maßnahmen in den Griff zu bekommen, ist auf dem Holzweg. Das Beispiel
Massenautos zeigt, dass Deutschland da über kurz oder lang nicht mehr
mithalten kann. Neue Produkte her, die es nur „Made in Germany” gibt.
Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Allgemeine Zeitung