LVZ: zum Tariffstreit
Archivmeldung vom 03.11.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittIm Metall-Konflikt liegen Welten zwischen den Tarifparteien. Acht Prozent mehr Lohn fordert die IG Metall, 2,9 Prozent lautet das Angebot der Arbeitgeber. So wie sich die Lager momentan in Position bringen, scheint eine schnelle Einigung Illusion.
Gäbe es nicht gerade eine Finanzkrise und würde die Wirtschaft nicht vor einem Abschwung stehen - ein deutlicher Lohnaufschlag in der Metall- und Elektrobranche ginge voll in Ordnung. Weil die Arbeitnehmer in den letzten Jahren Zurückhaltung geübt haben, um den Aufschwung nicht zu gefährden. Weil die Löhne seit Jahren real sinken. Weil sich der öffentliche Dienst auch ein Plus von acht Prozent genehmigt hat. Weil höhere Löhne die Binnenkonjunktur ankurbeln. Diesem Berg an guten Gründen hätten die Arbeitgeber in normalen Zeiten eigentlich nicht viel entgegenzusetzen. Nur normal sind die Zeiten nicht. Und so verwundert es niemanden, wenn Arbeitgeberpräsident Hundt und Gesamtmetall-Chef Kannegiesser das altbewährte Lied vom Arbeitsplatzabbau und von der Job-Verlagerung ins Ausland singen. Da BMW, Mercedes oder Opel ihre Mitarbeiter teilweise wochenlang in Zwangsurlaub schicken, scheint sich auch die Angst vor Streiks bei den Autobauern noch in Grenzen zu halten. Ja, sie würden bei einem Streik sogar noch Kosten sparen. Eigentlich wäre das eine gute Zeit für Kompromisse. Vier Prozent mehr Lohn bei einer Laufzeit von sechs Monaten etwa. Bis dahin haben sich die Turbulenzen weltweit vielleicht etwas gelegt, und die Tarifparteien können neu und unaufgeregt aufeinander zugehen. Besser wäre zweifelsohne eine - Porsche hat es vorgemacht - erfolgsabhängige Einmalzahlung, möglichst noch vor Weihnachten. Die Arbeiter hätten direkt mehr Geld in der Tasche und es würde kein Scheck auf die Zukunft ausgestellt, denn eine Lohnerhöhung muss auch dann gezahlt werden, wenn es dem Unternehmen schlecht geht. Doch an das eine wie das andere ist nicht zu denken. Und nicht nur, weil sich Berthold Huber in dieser ersten Tarifrunde als Gewerkschaftsvorsitzender profilieren muss. Unter den Gewerkschaftsmitgliedern ist der Frust groß, dass wieder einmal die Arbeitnehmer verzichten sollen, während sich Manager auch in Krisenzeiten die Gehälter erhöhen und Bankvorstände selbst dann noch Boni zahlen, wenn sie ihre Institute an den Rand der Pleite gesteuert haben und der Steuerzahler nun dafür geradestehen muss. Das Fehlverhalten der Eliten hat viel dazu beigetragen, dass der Graben in der Gesellschaft immer größer wird. Interessanterweise auch der in der Arbeiterschaft. Kümmert es einen im gegenwärtigen Tarifstreit, dass die ersten Verlierer der Krise die Leiharbeiter sind?
Quelle: Leipziger Volkszeitung