Börsen-Zeitung: Chinesischer Strategienebel, Kommentar zur Deutschen Bank
Archivmeldung vom 04.05.2017
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Freigeschaltet durch André OttDer Akquisitionsrausch chinesischer Unternehmen in westlichen Gefilden hat mit der Verschärfung von chinesischen Kapitalverkehrskontrollen und wachsendem Unmut der Pekinger Regierung in Sachen unvernünftiger Prestigekäufe in diesem Jahr stark nachgelassen. Nur der private Mischkonzern HNA Group scheint seine Kauflust kaum bremsen zu müssen und tätigt weiterhin Akquisitionen in Serie. Eine neue Stoßrichtung gilt dem Finanzsektor. Mit der Verdoppelung der Beteiligung an der Deutschen Bank auf knapp 10 Prozent steht nun der Finanzdienstleistungsarm HNA Capital im Rampenlicht.
Gelüste auf eine Übernahme des deutschen Geldhauses gibt es nicht. HNA hat eine klare Ansage gemacht, dass man als Ankeraktionär unter der Schwelle von 10 Prozent bleiben wird, und spricht von einem attraktiven Investment im Finanzsektor. Aus der Sicht eines langfristig denkenden Finanzinvestors mag ein Engagement bei der Deutschen Bank mit ihrer schwach bewerten Aktie durchaus ein Schnäppchen sein.
Die strategische Dimension ist schwieriger zu erfassen, aber allein die Tatsache, nun auch im Aufsichtsrat einer der bekanntesten internationalen Banken vertreten zu sein, hat aus chinesischer Sicht einen Prestigewert und soll einen Lernkurveneffekt haben. Einen echten Eintritt in deutsches Bankgeschäft würde die zum Verkauf stehende HSH Nordbank bringen, bei der HNA zum Kreis der Interessenten gehört. Hier liegt der Schwerpunkt bei Schiffsfinanzierungen, die schon eher Berührungspunkte zu angestammten HNA-Geschäften im Bereich von Logistik und Leasing erkennen lassen. Von HNA selber ist nur bekannt, dass man die Vermögensverwaltung als attraktiven Wachstumsmarkt ansieht, wozu der jüngste Kauf einer Beteiligung an der Fondssparte des Versicherers Old Mutual passt.
Gegenwärtig sehen die Pläne von HNA nach Flickwerk und dem Nutzen von Kaufgelegenheiten, wo sie sich bieten, aus. Es geht wohl darum, aus der Finanzsparte HNA Capital, die bislang die Mutter vor allem als interne Investmentbank bei Übernahmen, Anteilskäufen und Börsengängen unterstützte, zum eigenständigen internationalen Finanzdienstleister zu formieren. Der hat aber gleichzeitig inhouse alle Hände voll zu tun. HNA muss das Kapital für ausländische Akquisitionen aus dem Cash-flow seiner eigenen globalen Aktivitäten und aus Bondfinanzierungen generieren. Das nämlich ist die Erklärung dafür, warum HNA trotz der restriktiveren Linie Pekings weiterhin auf globaler Shoppingtour ist.
Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Norbert Hellmann