WAZ: USA debattieren über Irak-Abzug: Mission impossible
Archivmeldung vom 12.07.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEs lohnt sich, genau hinzuhören, wenn US-Präsident Bush spricht: Ein Abzug der US-Truppen aus dem Irak zum jetzigen Zeitpunkt komme nicht infrage, denn erst müsse man General Petraeus die Chance geben, "seinen Plan" umzusetzen. Unüberhörbar schiebt Bush hier ein bedeutendes Stück Verantwortung an seinen neuen Oberkommandierenden im Irak ab.
"Sein Plan", also der Versuch, den Irak mit einer noch größeren
US-Truppe unter Kontrolle zu bringen, ist in Wirklichkeit eine
politische Entscheidung gewesen, die der Präsident gegen den Rat der
überparteilichen Baker-Kommission getroffen hat. Er wird dafür auch
selbst die Verantwortung tragen müssen, wenngleich er offensichtlich
versucht, für den Fall der Fälle schon einmal Argumentationslinien
vorzugeben: Militärs, die scheitern; eine irakische Regierung, die
nicht hält, was sie verspricht; Terroristen, die den Irak gezielt
destabilisieren; Parlamentarier in Washington, die zu früh aufgeben.
Am Ende war es dann keine politische Fehlkalkulation, sondern halb
"Dolchstoß", halb "Mission impossible".
Doch noch ist es nicht so weit. Gegen den wachsenden
innenpolitischen Druck, die Soldaten abzuziehen, will Bush noch
einmal Zeit gewinnen, wenigstens bis September. Es ist die
verzweifelte Hoffnung auf ein Wunder, an das niemand mehr so recht
glauben kann. Andererseits macht man es sich zu leicht, wenn man Bush
Starrsinn vorwirft und alles, was er sagt, als billige
Durchhalteparole abtut. Denn mit den Warnungen vor den Folgen einer
amerikanischen Niederlage im Irak hat er völlig Recht: Alles spricht
dafür, dass der Irak nach dem amerikanischen Abzug einen
eskalierenden Bürgerkrieg erlebt, womöglich ganz auseinanderfällt und
unter dem Einfluss des Iran, der Türkei und Saudi-Arabiens zum
Schauplatz eines ausufernden Regionalkrieges wird. Mit diesem
Horrorszenario übertreibt Bush nicht. Eine solche Katastrophe zu
verhindern, ist im amerikanischen wie auch im internationalen
Interesse und könnte manches Opfer rechtfertigen.
Iraks Zukunft nach der US-Mission mag düster sein, aber der gegenwärtige Krieg scheint immer sinnloser. Deshalb haben Bushs Warnungen kaum noch Wirkung. Die meisten Amerikaner haben verstanden, dass der Truppenabzug keine Lösung für die Probleme im Irak ist und dass man einen schlimmen Krisenherd zurücklassen wird. Doch das ist ihnen zunehmend gleichgültig. Sie wollen nur noch, dass der Krieg mit 3600 amerikanischen Gefallenen, 26 000 Verwundeten und 500 Milliarden Dollar Kosten endlich vorbei ist.
Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Allgemeine Zeitung