Börsen-Zeitung: Explosive Mischung - Kommentar zum schwachen Dollar von Silke Stoltenberg
Archivmeldung vom 28.11.2006
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Freigeschaltet durch Jens BrehlKaum wagt der Euro, nach langer Zeit mal wieder ein wenig teurer zu werden, kommen die altbekannten Reflexe: Die drohenden Wettbewerbsverluste der europäischen Exporteure werden an die Wand projiziert, die Autohersteller beziehen als herausragende Stellvertreter Prügel am Aktienmarkt.
Schon werden Kursmarken
gehandelt, ab wann wirklich Gefahr droht. Solche Zahlen sind
plakativ, gehen aber am Thema vorbei. Es ist weniger ein konkretes
Umtauschverhältnis, das Unternehmen bei ihren Auslandsgeschäften
belasten kann, denn Währungsschwankungen können abgesichert werden.
Viel mehr Sprengstoff könnte ein sich jetzt selbst verstärkendes Tempo einer Dollar-Abwertung in sich bergen. Seit mehr als einem halben Jahr dümpelte das wichtige Währungspaar Euro-Dollar in einer engen Spanne zwischen 1,25 und 1,29 Dollar. Die niedrigen Schwankungen, also Volatilitäten, ließen Marktteilnehmer mit einem Dauerzustand rechnen. Die Wucht, mit der der Euro nun ausgebrochen ist, hat viele Investoren aus dieser Gemütlichkeit gerissen. Ein solch jähes Erwachen kann schmerzhafte Kursausschläge verursachen.
Außerdem ist die letzte Bastion des Dollar - das
Umtauschverhältnis zum Yen - brüchig und birgt die Gefahr einer
explosiven Mischung. Denn während der Greenback gegenüber Euro,
Pfund, Franken und den skandinavischen Währungen deutlich Federn
lassen musste, blieb er zum Yen vergleichsweise stabil. Doch die
japanische Währung gilt als extrem unterbewertet. Sollte sie als
Rettungsanker für den Dollar fallen, könnte eine sprunghafte
Aufwertung des Euro zum Dollar auf alte oder neue Rekorde die Folge
sein, zumal dann die Carry Trades schlagartig aufgelöst würden.
Zunehmende Währungsschwankungen machen schließlich diese Geschäfte,
bei denen Kredite in niedrig verzinslichen Währungen aufgenommen
werden, um sie in hochverzinslichen anzulegen, uninteressanter. Dies
würde den Dollar geradewegs in einen Abwärtsstrudel reißen.
Eine solche unkontrollierte Abwertung des Greenback wäre verheerend. Nicht nur für Exportunternehmen, sondern auch wegen der daraus resultierenden enormen Buchverluste für Notenbanken auf ihre Devisenreserven. Auch die japanische Wirtschaft würde die sprunghafte Aufwertung des Yen kaum verkraften - eine Rezession der Exportnation könnte die Folge sein.
Quelle: Pressemitteilung Börsen-Zeitung