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Westdeutsche Zeitung: Das Gesprächsangebot an den Dalai Lama ist vergiftet

Archivmeldung vom 26.04.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 26.04.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Beruhigungspillen mögen das Befinden kurzfristig verbessern. Probleme lösen sie freilich selten. Im Gegenteil: Oft vernebeln sie nur die Wahrnehmung. Das angebliche Dialog-Angebot an den Dalai Lama ist so eine Beruhigungspille.

Es ist noch nicht lange her, da hat das Regime in Peking (Beijing) das Oberhaupt der Tibeter als Terrorpaten verunglimpft, als "Wolf in Mönchskutte" oder "Hyäne in roter Robe". Und nun plötzlich wird diesem ach so gefährlichen Mann die Hand gereicht? Bei näherem Hinsehen erweist sich das Angebot als vergiftet. Erstens stellt China Vorbedingungen, die absurde Behauptungen beinhalten - so etwa die Aufforderung an den Dalai Lama, er solle aufhören, "Gewalt zu planen und zu schüren". Zweitens stellt die chinesische Führung keine Verhandlungen in Aussicht, sondern nur Kontakte und Konsultationen. Solche belanglosen Treffen zwischen Vertretern des Dalai Lama und der chinesischen Führung hat es schon früher gegeben. Geändert hat sich an der Tibet-Politik Chinas seitdem nichts. Statt auf Diplomatie setzt Peking noch immer auf seine Dampfwalzen-Politik: Indem möglichst viele Chinesen nach Tibet gelockt werden, um sich dort niederzulassen, geraten die Tibeter in ihrer eigenen Heimat in die Minderheit. Das hat nichts mit Autonomie zu tun, dafür aber sehr viel mit Assimilation. Ein Kommentator aus Singapur hat klug festgestellt, dass man nicht auf den Mond fliegen wollen und zugleich an einem Souveränitätsbegriff aus dem 19. Jahrhundert festhalten kann. Insofern liegt auch ein Helmut Schmidt mit seiner Analyse, der Westen solle sich heraushalten, falsch. Immerhin gibt die kommunistische Führung jetzt indirekt zu, dass Tibet in der globalisierten Welt keine "innere Angelegenheit" ist, in die sich niemand einmischen dürfe. Sonst hätte sie nicht schon kurz vor der Verkündung ihres "Dialog"-Angebots westliche Regierungen über ihren Schritt informiert. Wer diese Mini-Bewegung in Peking als Fortschritt sehen will - bitteschön. Der Image-Schaden für China bleibt. Solange der Dalai Lama bei den Olympischen Spielen nicht auf der Ehrentribüne sitzen darf, können und wollen wir uns nicht beruhigen. Die Bilder von Panzern, Soldaten und toten Menschen in den Straßen zu Lhasa schmerzen zu sehr.

Quelle: Westdeutsche Zeitung (von Alexander Marinos)

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