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Lausitzer Rundschau: Hätte, wenn und aber

Archivmeldung vom 02.07.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 02.07.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Wenn Angela Merkel jetzt nach Südafrika zur Fußballnationalmannschaft reist, wird sie sicherlich mit Freude fahren. Weil es dort weit und breit keine Heckenschützen geben wird, keine leidigen Debatten über Führung, Koalitionskrise, Wahldebakel. Nur Fußball-WM. Ein wenig Zeit zum Verschnaufen, die Merkel bitter nötig hat. Denn nach dem Drama bei der Bundespräsidentenwahl steht der Kanzlerin eine Sommerpause der turbulenteren Art bevor.

Es hätte doch alles so schön sein können: Die Arbeitslosigkeit sinkt, der Aufschwung kommt, die Euro-Krise ist eingedämmt, Guido Westerwelle und Horst Seehofer geben keine bissigen Interviews. Und Christian Wulff wird gleich im ersten Wahlgang zum Präsidenten gewählt. Beschwingt hätte die Koalition in den Sommer aufbrechen können. Hätte, wenn und aber, angesichts des Verlaufs der Bundesversammlung zählt das alles nicht mehr. Wieder ist ein Aufbruch der kränkelnden Koalition durch die Zitterpartie der drei Wahlgänge daneben gegangen. Der wievielte versuchte Neustart war das eigentlich? Es gab in acht Monaten zig Kungelrunden der Parteivorsitzenden zur Klimapflege, es gab eine Kabinettsklausur vor den Toren Berlins, dann noch eine Sparklausur, und immer wieder getrennte Tagungen von Union und FDP, nach denen gezwitschert wurde: Wir haben verstanden, wir brauchen mehr Teamgeist. Dieselben Botschaften hat man auch nach der Bundesversammlung gehört - wie von einer Schallplatte mit einem Kratzer. Die Realität ist eine andere. Eine Koalition funktioniert nicht dadurch, dass man sie immer und immer wieder gesundbetet. Der Zustand des schwarz-gelben Bündnisses ist deswegen so dramatisch schlecht, weil Union und FDP einen Berg an unerledigten Streitthemen vor sich her schieben: Steuern, Gesundheit, Wehrpflicht, Elterngeld, Mehrwertsteuerreform, Atomlaufzeitverlängerung, es herrscht freie Auswahl bei der Suche nach Themen, mit denen Sommerlöcher gefüllt werden können. Und Union und FDP werden nach dem Drama in der Bundesversammlung bereitwillig liefern. Denn diese Präsidentenwahl hat gezeigt, dass im bürgerlichen Lager die Lust an der Rücksichtslosigkeit und Selbstzerstörung inzwischen größer ist als der Wille zur politischen Vernunft. Das ist Angela Merkels Problem. Ihre Autorität ist durch ihr Abwarten im Koalitionshickhack zerbröselt, und sie hat nun nicht mehr viel Zeit, zu zeigen, dass sie auch anders kann, um die Koalition zu retten. Die nächsten wegweisenden Landtagswahlen sind im Frühjahr. Spätestens dann wird sich entscheiden, ob die Kanzlerin ein politisches Sommermärchen erleben wird - oder bloß Fußball.

Quelle: Lausitzer Rundschau

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