Börsen-Zeitung: Kein Denkzettel für Sewing
Archivmeldung vom 07.05.2019
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Freigeschaltet durch André OttWer der Deutschen Bank als Aktionär die Treue hält, verfügt über ein Übermaß an Leidensfähigkeit oder ist ein treuer Anhänger des Börsengurus André Kostolany. Dessen Rat, Aktien zu kaufen, Schlaftabletten zu nehmen und die Papiere nicht mehr anzuschauen, hat sich in diesem Fall jedoch nicht bewährt.
Anleger, die sich vor zehn Jahren Aktien der Deutschen Bank ins Depot legten, sind damit nicht reich geworden. Vielmehr haben sie gut drei Viertel des eingesetzten Kapitals verbrannt. Wer später einstieg, hat zwar nicht ganz so dramatische Verluste zu beklagen. Ein Schnitt war jedoch nicht zu machen, denn noch nie war die Aktie so billig wie heute.
Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass den Aktionären allmählich der Geduldsfaden zu reißen droht. Der einflussreiche US-Stimmrechtsberater Glass Lewis empfiehlt den Aktionären erneut, Vorstand und Aufsichtsrat der Deutschen Bank zumindest nicht en bloc zu entlasten. Auch sein in den Empfehlungen unabhängiger deutscher Ableger Ivox hat Bedenken angemeldet. Nimmt in diesem Jahr erstmals auch der US-Wettbewerber Institutional Shareholder Services (ISS) seine schützende Hand von den Führungs- und Kontrollgremien des Instituts, könnte es für die Deutsche Bank eng werden auf der Hauptversammlung am 23. Mai in Frankfurt. Gut ein Jahr nach seinem holprigen Amtsantritt könnte Vorstandschef Christian Sewing den Negativrekord seiner Vorvorgänger Jürgen Fitschen und Anshu Jain brechen, die 2015 mit einer bis dato ungekannt dünnen Mehrheit von 61 Prozent entlastet wurden.
Die Aktionärsversammlungen von UBS und von Bayer haben zuletzt gezeigt, dass eine Nichtentlastung für immer mehr Aktionäre kein Tabu mehr ist. Dies mag im Einzelfall hilfreich sein, um sich für die Teilnahme an Sammelklagen auf Schadenersatz zu qualifizieren. Wichtiger dürfte für viele jedoch der Wunsch sein, den Managern einen Denkzettel zu verpassen.
Ob Sewing diesen verdient hat, darf angesichts der Kürze seiner Amtszeit und der noch immer übergroßen Macht der Investmentbanker bezweifelt werden. Ein Jahr ist zu kurz, um mit einem derart angeschlagenen Institut die Ertragswende zu schaffen.
Wer Sewing das zutraut, sollte sich vor allem Gedanken über einen Denkzettel für den Aufsichtsrat machen. Äußerungen in jüngsten Interviews legen den Schluss nahe, dass es vor allem der Chefkontrolleur Paul Achleitner ist, der bei dem offensichtlich erforderlichen Rückbau des chronisch defizitären Investment Bankings auf der Bremse steht.
Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Anna Sleegers