Rheinische Post: Handy-Panne:Welt am Draht
Archivmeldung vom 22.04.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittBei jeder Flugzeuglandung dasselbe. Wie Formel-1-Piloten starren alle auf die Anschnallzeichen. Wenn sie erlöschen, geht das Rennen los: Wer hat sein Handy als erster am Netz? Meist weiß man ja nicht, wer neben einem sitzt.
Vielleicht lauter Konzernvorstände. Oder Notärzte. Oder wenigstens Politiker. Die müssen natürlich ständig erreichbar sein. Aber ein ganzes Flugzeug voll? Die in Deutschland am häufigsten verschickte SMS lautet: "Wo bist du?" Danach kommt: "Was machst du gerade?" Und was schreiben all die Passagiere wohl Sekunden nach der Landung? Gestern einmal nichts. Vier Stunden lang konnte niemand die Welt über seine Landung informieren. Konnte nicht fragen, wo "er" gerade ist und was "sie" gerade macht. Höchstens per Festnetz. Aber so wichtig war es dann wohl auch wieder nicht. Passiert ist wenig. Dramen wurden auch Stunden nach der Panne nicht bekannt. Vermutlich hatte den größten Schaden die Telekom, weil sie ein paar Millionen Telefon-Minuten weniger verkauft hat. Also gab es auch Gewinner. Zum Beispiel die, die eben diese Millionen Telefon-Minuten nicht gekauft haben. Und die dann gelächelt haben. Weil endlich einmal Ruhe war. Im Zug. Im Bus. Im Restaurant. Also Zeit, sich selbst etwas zu fragen. Zum Beispiel, ob wir das Handy überschätzen.
Quelle: Rheinische Post (von Thomas Reisener)