Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema Weltkulturerbe Elbtal
Archivmeldung vom 26.06.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDresden ist für seinen Stollen bekannt. Warum also nicht einfach unter dem Elbtal hindurchgraben, um die verflixte Waldschlösschenbrücke zu verhindern? Spaß beiseite. Die Angelegenheit ist für Scherze viel zu bedrohlich.
Noch liegt Dresden nicht im Tal
der Tränen, aber der von der Unesco in Neuseeland ausgestellte
Denkzettel lässt befürchten, dass Deutschland im Oktober nur noch 31
Weltkulturerbestätten haben wird.
Die Brücke darf nicht gebaut werden, weil sie die Kulturlandschaft
Elbtal verschandelt, stellte die UN-Kulturorganisation
unmissverständlich fest. Und wenn bis zum 1. Oktober kein
Alternativplan vorgelegt wird, der das Naturerbe bewahrt, ist der
Adelstitel Weltkulturerbe ganz weg, legte das Komitee nach. Man kann
das ein Ultimatum nennen, aber eine »Erpressung« ist es nicht, wie
Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) gestern vor Wut
schäumte.
Die Unesco hat im Gegensatz zur Stadt und dem Freistaat Sachsen ihre
ureigenste Aufgabe, den Denkmalschutz, ernst genommen. Deshalb blieb
ihr keine andere Wahl, als Deutschland stellvertretend für Dresden
die dunkelgelbe Verwarnungskarte zu zeigen. Der Status
»Weltkulturerbe« bedeutet eben nicht nur mehr touristische Chancen,
sondern auch mehr Verantwortung für wertvolle Gebäude und
Landschaften. Das ist die Botschaft der Unesco aus Neuseeland nach
Deutschland. Im Falle des Elbtals handelt es sich um die Warnung vor
dem Zubetonieren, dem Versiegeln eines Teils einer einzigartigen
Kulturlandschaft.
In der sächsischen Metropole haben die Verantwortlichen auf das
Gesetz der Serie vertraut: Noch nie ist einem Denkmal der Status
Weltkulturerbe wieder entzogen worden. In Köln ist es am Ende ja auch
gut gegangen. Und deshalb wurde in Elbflorenz ein Brückenungetüm
geplant und beschlossen, in dem Glauben, die Unesco werde schon ein
Auge zudrücken. Tat sie aber nicht, denn die Zentrale in Paris hat
nicht vergessen, dass sie damals bei der Bewerbung Dresdens bewusst
oder unbewusst getäuscht wurde. In den Unterlagen für die
Flusslandschaft war die Brücke zwar vermerkt, aber an anderer Stelle.
Hätte die Unesco den wahren Standort sofort gekannt, hätte sie das
Elbtal 2004 wohl kaum auf die Welterbe-Liste gesetzt.
In Dresden ist die Lage hoffnungslos vertrackt. Das
Regierungspräsidium hat die Bauarbeiten für die Waldschlösschenbrücke
freigegeben und betont, dem Bürgerwillen nach Verkehrsentlastung
müsse unverzüglich Rechnung getragen werden. Weil mit dem
Bürgerbegehren »nicht kompatibel«, scheidet ein Tunnel als
Alternative nach Ansicht der Stadt aus. So ruht die letzte Hoffnung
auf einer anderen, filigranen Elbquerung und dem Einfluss der
Bundesregierung auf die Unesco. Hätten Dresden und Sachsen den
Weltkulturerbestatus früher schon so ernst genommen, hätte es zu
dieser panikartigen Betriebsamkeit gar nicht erst kommen müssen.
Quelle: Pressemitteilung Westfalen-Blatt